Afrika, Namibia

Emanya Lodge – eine Location wie aus „James Bond“ (?)

Ja, das ist sie. Zumindest der Optik nach. Blau spiegeln die weitläufig verteilten Wasserflächen und Swimming Pools die Umgebung, werfen das Bild der schneeweißen Wände zurück. Durch die verglaste Front kann man das flackernde Licht der Kerzen sehen, die auf den Tischen verteilt sind. Eine lebensgroße Leinwand dahinter zeigt in Grautönen zwei Löwen, die im flimmernden Licht durch die Weiten der Etosha Pfanne stampfen. Eine traumhafte Kulisse. Die Stück für Stück, wie die Traumwelt aus „True man“, langsam zu bröckeln beginnt.

Aber von vorne.

Ziemlich erledigt vom vielen Tier-watching kommen wir in der Lodge an. Gehobene Kategorie, sagt Stefan, eigentlich sind wir nur hier, da nichts mehr in der Umgebung frei war. Umso verwunderlicher ist es, dass am Wärterhäuschen niemand sitzt, oder besser: Wir gar kein Wärterhäuschen sehen. Ich öffne die Schranke und wir fahren rein, gar kein Problem.

Drinnen verschlägt es uns die Sprache: Eine weitläufige Anlage, von oben bis unten verglaste Fronten, Wasserflächen, die das Licht des aufkommenden Abends spiegeln. Überall Weiß und Anthrazid, sehr stylisch, sehr edel, sehr modern.

„Irgendwie sind wir hier fehl am Platz.“ Sagt Stefan.

„Nö, sehe ich nicht so.“ Sehe ich wirklich nicht so.

Eine Hotelmitarbeiterin führt uns herum. Auch unser Zimmer hat verglaste Fronten ein großes, totschickes Bad. Und nach der staubigen Fahrt hierher wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mich in diese traumhaft große Badewanne zu legen. Doch die Badewanne lässt sich nicht befüllen, oder besser: Der Stöpsel hält nicht dicht und das Wasser läuft sofort wieder ab. Und da ich nicht weiter Wasser verschwenden will, gebe ich mein Vorhaben bald auf. Wir mit unseren Erst-Welt-Problemen, denke ich mir noch, aber… schade, es wäre schön gewesen.

Ich meine, ich will jetzt wirklich nicht den verwöhnten Westler raushängen lassen. Das mit der Badewanne alleine wäre nicht schlimm gewesen. Ich war eh erstaunt, dass es überhaupt eine gab, waren viele Lodges legitimerweise darauf bedacht, Wasser zu sparen. In den Tirasbergen bei Line und Thorsten gab es eine Dusche und einen Eimer, um das übrig gebliebene Wasser aufzufangen. Und wir waren restlos begeistert. Und auch in dieser Luxuseinrichtung hier hätte es keine Badewanne gebraucht. Doch wenn man sie schon anbietet, dann sollte sie auch funktionieren…

Draußen vor unserem Bungalow sitzt Stefan und raucht.
„Soeben kam hier die Möchtegern-High-Society vorbei.“ Sagt er grinsend. „Und ich saß da mit der selbstgedrehten Zigarette und der kurzen Hose. Die haben ganz schön abfällig geguckt.“ Oh, die High-Society hätte ich gerne gesehen, denke ich. Aber vielleicht haben wir beim Abendessen noch die Gelegenheit.

Hinter einem Gatter versteckt befindet sich eine Straußenzucht auf dem Gelände. Bei meinem Spaziergang gehe ich kurz hin und sage den Riesenvögeln Hallo. Ich vermute, dass die Strauße hier unter anderem für das Fleisch gehalten werden. Na, ihr hübschen, schmeckt ihr auch schön saftig? Das finden die großen Tiere irgendwie gar nicht lustig.

Wir machen uns schick (ja, richtig gelesen: Wir machen uns schick!) und begeben uns in den verglasten Speiseraum, den wir noch vorhin bei Tageslicht bewundern konnten. Die Pools und die weitläufig angelegten Wasserflächen sind blau unterleuchtet und erhellen die Nacht mit einem geheimnisvollen Strahlen. Den Speiseraum schmücken flackernde Kerzen, die sich im Glas spiegeln, und durch die verglasten Fronten schauen wir hinaus in die Nacht.

Wir gehören zu den ersten, die sich zum Abendessen eingefunden haben, die anderen Gäste trudeln nach und nach ein.
„Da, siehst du die beiden dort drüben?“ Stefan stubst mich an und zeigt auf ein Mittvierziger-Ehepaar mit ihren halbwüchsigen Kindern, die tuschelnd gerade dabei sind, neu angekommene Gäste mit halb belustigten, halb herablassenden Blicken zu taxieren. „Das sind die beiden.“ Möchtegern-Society, so, so? Das quitschgelbe, eng sitzende Kleid der Dame war zweifelsohne teuer; umso mehr tut es mir leid für den Designer, denn dank dem Stofffetzen hat sie nun ihren Spitznamen weg: Tweety.

Das Essen schmeckt so la la. Ja, wirklich, es schmeckt nicht wie erhofft. In jeder Mittelklasse-Lodge, in der wir bisher aßen, zerschmolzen die Wildsteaks nur so auf der Zunge und die Köche übertrafen sich mit ihren Künsten und ich war schon sehr gespannt, wie die Emanya Lodge mit ihrem luxuriösem Image gedenkt, dies noch zu toppen. Doch das gedenkt sie gar nicht. Ich sitze da und versuche, mir das trockene, zähe Fleisch und den nicht durchgekochten Brokkoli schön zu reden.

Ein erheiternder Moment war für uns gewesen, als die Kellnerin mit einer silbernen, auf Hochglanz polierten Schale auf uns zukam und wir uns fragten, was da drinnen sein mag… als Stefan den Deckel abnimmt, zeigt sich ein kleines, in Plastik abgepacktes Päckchen Streichbutter…

Nach dem Dessert verschwindet Stefan nach draußen. Indessen kommt die Kellnerin an den Tisch und fragt, ob es geschmeckt hat (woraufhin ich lüge wie gedruckt) und ob sie schon mal die Rechnung bringen soll. Ja, denke ich, warum nicht; und als die Dame mit der Rechnung kommt, bezahle ich und lege den Rechnungsbetrag inklusive Trinkgeld in das kleine Heftchen auf dem Tablett. Sie kommt wieder, nimmt Heftchen und Tablett an sich und entschwindet.

Die Lodge verfügt über ein beleuchtetes Wasserloch und eine große Terrasse in einigen Metern Entfernung, von der aus man, wenn man möchte, die ganze Nacht Tiere beobachten kann, die im Schutze der Dunkelheit zum Trinken kommen. Das Wasserloch ist mit sanftem, orangenen Licht beleuchtet, was den Tieren anscheinend die Scheu nimmt. Wir nehmen uns je ein Bier mit nach draußen und setzen uns auf die Terrasse, auf der es sich schon ein anderes Pärchen gemütlich gemacht hat. Lautlos nehmen wir Platz und stellen die Bier neben uns. Am Wasser sind momentan nur ein paar Angstrehe zu sehen, die zitternd das Wasser umkreisen, jeden Augenblick bereit zu Flucht. Die „Angstrehe“, wie sie von uns scherzhaft genannt werden, sind eigentlich Dikdiks, eine kleine Antilopenart, die mit ca. 50 cm nicht größer werden als ein Hund. Einige davon haben wir schon auf der Fahrt hierher gesehen. Nun umkreisen sie das Wasserloch und wirken, als hätten sie vor, lieber zu verdursten als sich schlussendlich doch ans Wasser zu trauen.

In zwei- bis drei Metern Entfernung recken sich dunkel zwei lange Hasenohren unter einem Busch in die Höhe. Immer wieder stellt sich der kleine Nager auf die Hinterpfoten und kaut auf etwas herum. Ich will nichts verpassen, also stehe ich auf und gehe ans Auto, um meine Kamera zu holen.

Als ich nach ein paar Augenblicken wieder zurück komme, sehe ich gerade noch eine große Herde Zebras sich vom Wasserloch verabschieden. Mist aber auch!

„Einer der Touristen musste natürlich gleich mit Blitzlicht fotografieren.“ Erzählt mir Stefan belustigt. „Das eine Zebra hat fast einen Herzinfarkt gekriegt…“

Stur sitze ich weiter geduldig da, die Kamera im Anschlag. Vielleicht kommen noch einmal ein paar Zebras oder andere große Tiere? Doch außer ein paar Kudus und einer Oryx ist nichts weiter zu sehen. Die „Angstrehe“ pirschen immer noch ums Wasser herum und trauen sich nicht zum trinken dran. Kein Wunder, sie sind ja auch die kleinsten und weit unten in der Nahrungskette und das scheinen sie genau zu wissen.

Ich bleibe sitzen, als sich alle anderen bereits zum Schlafen verabschieden. Langsam droht mein Kopf, auf die Brust zu sacken. Doch so viel Geduld wird nicht immer belohnt; irgendwann gebe ich auf.

Am nächsten Morgen stehe ich recht früh auf. Im Morgengrauen noch dusche ich, ziehe mich an und hechte an das Wasserloch. Da setze ich mich nun hin, die Kamera bereit vor mir.

Der Himmel erhellt sich langsam, noch ist keine Sonne zu sehen. Recht lautlos tauchen sie auf, wie Geister zwischen den Bäumen zunächst nicht zu sehen: Eine Herde Gnu kommt zum Trinken an die Wasserstelle. Fasziniert beobachte ich, wie leise alles vonstatten geht, die großen Tiere geben kaum einen Laut von sich. Während einer trinkt, hält immer ein anderer Ausschau. Nicht nach dem seltsamen Primatenweibchen, das sie da beobachtet, denn dieses ist ungefährlich, aber nach anderen Bedrohungen. Und genauso lautlos, wie sie aufgetaucht sind, entfernen sie sich wieder, verschmelzen mit dem Wald, bis nur noch die Bäume zu sehen sind und das letzte leise Knacken verstummt ist.

Irgendwann ist auch Stefan wach und wir wackeln zusammen in den Frühstücksraum. Ich betrachte das Wasser des Swimmingpools, dessen Blau von weitem so schön einladend, kühl und erfrischend wirkt. Jetzt bei Tageslicht treiben trockene Blätter und Pflanzenreste darin und ein dicker, fettiger Film schwimmt auf der Oberfläche.

Alle anderen sind schon auf und davon und um kurz vor neun sind wir wohl die letzten, die noch nicht gegessen haben. Als wir den Saal betreten, treffen wir auf eine ziemlich schlecht gelaunte Hotelmitarbeiterin. Wir setzen uns an den einzigen gedeckten Tisch. „Good morning!“ Grüßen wir. Ein lautes klappern mit dem Geschirr ist die Antwort.

O-okay…?

Nachdem wir schon fast fertig mit dem essen sind (es gibt ein Frühstücksbuffet), kommt sie doch noch zu uns an den Tisch und fragt, ob wir etwas von der Karte haben möchten. Sie ringt sich sogar ein kleines, gezwungenes Lächeln ab, doch die Luft ist weiterhin zum Schneiden. Zufriedene Angestellte sehen nicht so aus, denke ich mir; so ein Verhalten hat immer etwas mit dem Führungsstil im Hause zu tun. Wir beschließen, schnell aufzuessen und uns wieder auf den Weg zu machen.

Doch so schnell geht es nicht.

Als wir an der Rezeption sind und auschecken wollen, hören wir: „Die Rechnung von gestern Abend ist noch offen.“

„Aber die hast du doch bezahlt?“ Stefan guckt mich an. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ja, erkläre ich der Dame, ich habe das Geld der Rechnung beigelegt. Ich hätte mir die Quittung abzeichnen lassen sollen, denke ich mir jetzt, aber wer hätte gedacht, dass das notwendig ist? Wieviel ich denn bezahlt hätte, fragt die Rezeptionistin. Sie schaut mich streng unter der Brille an. Meine Güte, wieviel war das denn? Sie lässt sich die Mitarbeiterin beschreiben, die uns gestern bedient hat. Sie hätte wohl gedacht, das Geld wäre als Trinkgeld zu verstehen. „Die Mitarbeiterin wird kommen,“ sagt sie. „Und wenn sie das Geld hat, wird sie das wieder zurück geben.“

„Trinkgeld?“ Stefan wundert sich. „Und dass der Betrag dem Rechnungsbetrag entsprach, gab ihr nicht zu denken?“

Wir warten. Die Minuten ziehen sich dahin und mir wird immer unwohler in meiner Haut. Irgendwann lässt uns die Rezeptionistin gehen. Es sei jetzt alles in Ordnung, sagt sie. Wir verlassen die wunderschöne James-Bond-Villa, an den blauen Wasserspielen vorbei und hinaus auf dem Parkplatz. Ich möchte nun so schnell wie möglich davon fahren, doch Stefan lässt sich, wie immer, ewig Zeit damit, die Karte zu studieren. Von weitem sehen wir noch, wie die Bedienung von gestern nun mit der Rezeptionistin lautstark diskutiert. Keiner hält uns mehr auf, doch ein fades Gefühl bleibt.

Start:            Etosha Safari Camp 
Ziel:              Emanya Etosha Game Lodge 
                     (S 18°48’53.872″E 17°12’50.604″)
Distanz:       202,2 km
Reisezeit:     3:18 Stunden

Kasia

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