Der Ramboda-Wasserfall
Sri-Lanka, Mai 2018
Nach einem Spaziergang durch den Markt bewegen wir uns wieder in die Berge, hoch über Serpentinen und an weiteren Teeplantagen vorbei. Unzählige Stände mit einer unglaublichen Vielfalt an Obst und Gemüse ziehen sich wie ein buntes Band entlang der Straße. Es geht rauf und wieder runter und wunderschöne Panoramen wechseln einander ab.
Am Ramboda Wasserfall haben sich bereits einige Besucher eingefunden, doch vor allem sind es Einheimische, die hierher kommen. Der ca. 109 m hohe Wasserfall ist ein Besuchermagnet, eine Gruppe Jugendlicher steht mit Badehosen im Wasser. Eine Bettlerin läuft von einem zum anderen und versucht, ein paar Rupien zu ergattern. Zunächst schicken wir sie weg, doch als wir zum Restaurant und an ihr vorbei laufen, gebe ich ihr doch etwas. Dieser Moment, als sie mir in die Augen schaut und ganz kurz zum Dank meine Hand festhält.
„Ist das Lokal gut?“ Fragt Stefan und ich denke mir: Sonst würde er es uns nicht empfehlen… Das Restaurant gehört zur Thuruliya Lodge und liegt an einem Hang mit einer Panorama-Aussicht über die umliegenden Berge und Plantagen. Als wir nach dem Essen gerade gehen wollen, verdunkelt sich der die ganze Zeit schon verhangener Himmel und es fängt an zu regnen. Wobei „fängt an zu regnen“ eine nette Umschreibung dessen ist, was folgt: Wände aus Wasser ergießen sich vom Himmel, aus Leitungen und Abflüssen sprudeln braune Fontänen. Das ganze Tal scheint hinter weißen Vorhängen zu verschwinden, Bäume und Palmen, an deren Ästen der Wind zerrt, biegen sich und das laute Tosen erschwert die Unterhaltung. Wir warten eine Weile, doch der Regen scheint noch schlimmer zu werden. Schließlich rennen wir unter dem Schutz von Regenschirmen, die das Restaurant wohlweislich zur Verfügung stellt, zurück zum Auto.
Die Storefield-Tea-Factory
Bei einer solchen Fahrt über Serpentinen im strömenden Regen muss man seinem Fahrer mehr als vertrauen. Schnell steht das Wasser mitten auf der Straße und große Wasserlachen bilden sich auf der Fahrbahn und werden von herankommenden Fahrzeugen zerteilt wie von Moses damals das Meer. Man hört das Geräusch der Tropfen auf dem Autodach und das leise Quietschen der Scheibenwischer. Überholt wird natürlich trotzdem, doch selbst die sonst so wilden Tuk Tuk- Fahrer sind langsamer und vorsichtiger geworden.
Sri-Lanka alias Ceylon ist der Begriff von Tee schlechthin. Unser nächster Stopp ist die Store Field Tea Factory in Gampola, die von einem Deutschen geleitet wird. Der ältere Herr ist 1990 das erste Mal nach Sri Lanka gekommen und seitdem immer wieder, bis er 2003 schließlich geblieben ist. Seitdem verwaltet er die Plantage und kümmert sich um Kunden und um den Umsatz. Er zeigt uns die einzelnen Produktionsschritte der verschiedenen Teesorten.
Der Grüne und der Schwarze Tee entstehen aus ein und derselben Pflanze, der einzige Unterschied liegt jedoch in der Fermentation, die den schwarzen Tee seine Färbung und seinen Geschmack gibt, während der Weiße und der Goldene Tee aus einer anderen Teepflanze, dem Chinesischen Teestrauch, produziert werden und als Gesundheitstees ausgewiesen sind. Den goldenen Tee, der auch über Fermentation zu seiner Farbe kommt, gibt es seinen Angaben nach nur auf Sri Lanka.
Der Tee wird geerntet, dabei werden per Hand jeweils die obersten Blätter abgeschnitten, anschließend getrocknet und zerkleinert. Durch das Sieben kommen verschiedenen Teequalitäten zustande, wobei der grobe Tee einen sehr milden, der fein geschnittene dagegen einen sehr kräftigen Geschmack besitzt, der fast schon ins Bittere reicht und gerne auf englische Art mit Milch und Zucker getrunken wird.
In der Tea-Factory warten wir erstmal, bis der Regen aufhört. Draußen ergießen sich kleine, braune Wasserfälle von den Hängen und über die Eingangstreppe. Mit Trippelschritten versuche ich, über die schmutzig braunen Rinnsäle zu springen, um mir die Schuhe nicht vollends einzusauen – vergebens. Doch in den Verkaufsräumen werden wir von Damen in Sari mit einem Tee begrüßt. Das gibt Zeit, die verschiedenen, aromatisierten Teesorten zu inspizieren.
Doch irgendwann können wir nicht mehr warten, wenn das mit der Besichtigung heute noch was werden soll. Wir folgen dem Mann mit Regenschirmen in der Hand über die Plantage und in die Fabrik. Eine Arbeiterin ist noch da und lächelt uns scheu zu. Irgendwann packt sie ihre Sachen zusammen und geht, anscheinend ist für sie Feierabendzeit. Nach unserem Rundgang finden wir uns wieder im Verkaufsraum ein, wo uns bei unserer Ankunft drei Frauen in bunten Sari mit einem Tee begrüßten. Nun zeigt uns der Herr die verschiedenen Teequalitäten, die wir jeweils probieren dürfen, von mild bis sehr kräftig.
Tee trinken ist bisweilen eine Kunst für sich und man muss es gerne tun, um für etwas von hoher Qualität viel Geld ausgeben zu wollen. Meine Nase bleibt an den aromatisierten Sorten hängen, die ausschließlich mit natürlichen Aromen behandelt werden – entsprechend meint man, eine Melonenfrucht, eine englische Rose oder Zimtrinde in der Nase zu haben. Später jedoch lese ich in diversen Bewertungen auf TripAdvisor, dass der Tee für Sri-Lanka Verhältnisse hoffnungslos überteuert war und es vergleichbare Qualitäten in den umliegenden Ortschaften und teilweise sogar am Flughafen günstiger zu kaufen gibt.
Vollgepackt mit Tüten aus Gaze verlassen wir die Fabrik. Der Regen hat nicht aufgehört, doch er ist weniger geworden, nun sind es keine Ströme aus Wasser, die sich über die Straße ergießen. Es ist bereits spät, und es ist bereits dunkel, doch statt einer halben Stunde bis nach Kandy brauchen wir anderthalb. Eine Straße ist weggespült, so dass wir wenden und einen anderen Weg nehmen müssen. Doch auch da scheint etwas nicht in Ordnung zu sein; immer wieder bleibt Soliya stehen und spricht durch das offene Fenster mit anderen Fahrern. Eine Brücke ist seitlich eingebrochen und nur noch auf einer Seite passierbar. Dies ist der einzige andere Weg nach Kandy, Soliya sagt: „We have no choice.“
Am Eingang von Kandy beginnt es, sich zu stauen, doch anstatt zu überholen, wie sonst immer, reiht sich unser Fahrer geduldig hinter den Wartenden ein, später weiß ich dann auch, warum, denn der entgegenkommende Verkehr sind die Fahrzeuge, die entlang der besagten Brücke kommen. Weit und breit ist keiner von der sonst so präsenten Polizei zu sehen, so dass Privatpersonen freiwillig deren Job übernehmen und mitten im strömenden Regen die Fahrzeuge dirigieren. Ein tropfnasser Mann gibt uns Handzeichen zum Weiterfahren; im Dunkeln kann ich durch das Fenster die halb eingestürzte Brücke erkennen. Dann, endlich, erreichen wir Kandy.
Die Stadt ist voll und der Verkehr ähnelt der Rushhour in Stuttgarter Innenstadt. Alle Fahrer haben mangels Alternativen diese eine Route genommen und kommen nun über dieselbe in die Stadt, Fahrzeuge überholen andere Fahrzeuge, niemand will nachgeben, jeder der erste sein und in alledem Durcheinander kommt schließlich keiner mehr voran.
Es ist spät, als wir unsere Unterkunft in Kandy erreichen. Sie liegt am Hang über der Stadt und mit Regenschirmen werden wir vom Auto abgeholt. Es ist spät, es ist halb acht, und bereits zum zweiten Mal macht Soliya ohne zu murren zu solch späten Stunde Feierabend. Wir setzen uns noch auf den Balkon; das Haus steht am Rande eines Waldes und die Geräusche der Tiere und Rufe der Vögel dringen zu uns herüber. Wir sitzen mitten im Regenwald, die Geräuschkulisse ist unglaublich. Flughunde kreisen über den Palmblättern am nächtlichen Himmel und im Baum leuchten Glühwürmchen, lösen sich von dunklem Hintergrund und schweben zwischen den Ästen; es sieht aus wie in „Avatar.“