Sizilien, August 2010
Ein blaues Meer. Blau ist untertrieben: Es war vielmehr die Art Türkis, die man auf Postkarten und in den Katalogen des Reisebüros um die Ecke zu finden vermag. Schneeweiße Felsen, die wie eine blendend helle Marmortreppe geradewegs ins Wasser zu führen schienen, luden zum Spazieren, Sonnenbaden und Verweilen ein. Ein warmer Wind zersaust das Haar und die Wellen rufen: Hier! Hier sind wir! Spring rein!
Ein traumhafter Ort, wie aus einem Märchen vom perfekten Urlaub – so schön, dass es weh tat.
Und ich – war sauer.
Stinksauer.
Das war im August 2010, in Realmonte, Sizilien.
Sizilien ist wild, noch ein bisschen heißer, noch ein bisschen mediterraner als das italienische Festland. Verwegener und aufregender. Und wir waren am gefühlt schönsten Ort der Welt. Doch konnte ich die Schönheit an jenem Tag nicht genießen.
Warum nicht?
Soweit ich mich erinnern kann, ging es ums Thema Fotografieren. Ich nahm das mit den Bildern damals sehr wichtig (auch heute noch, doch kann ich heute entspannter mit dem Thema verpasstes Motiv umgehen) und immer frustrierter stellte ich fest, dass wir an den schönsten Spots Siziliens zum größten Teil gar nicht anhielten… Zaghaft hob ich meine Kamera während der Autofahrt, um hier und da ein Landschaftsbild durch die Autoscheibe zu machen, doch wirklich befriedigend war das für mich nicht… vor allem deshalb, da ich irgendwie ahnte, dass die Welt für mich viel zu groß und interessant ist, um die Orte zwei- oder dreimal zu besuchen…
So legte ich mir eine beachtliche Sammlung von Während-der-Fahrt-Schnappschüssen an, die mir nicht so recht gefallen wollten. Meine Enttäuschung wuchs.
Und irgendwann entlud sie sich – mit einem lauten Knall…
Ist man plötzlich mit seinem Partner über längeren Zeitraum auf sehr engem Raum – und mit eng meine ich tagtäglich gemeinsam verbrachte Zeit, gemeinsame Unternehmungen usw. – zusammen, kann es schon mal krachen. Gefördert wird dies oft noch durch zu viel freie Zeit, wenn die festen Routinen mit einem Mal wegbrechen und man auf einmal sehr viel freie Zeit und nix weiter zu tun hat. Keine Arbeit, kein Feierabend, kein Abends-nach-Hause-kommen. Man ist aufeinander fixiert, die Erwartungen an den gemeinsamen Urlaub und auch an den Partner steigen ins Unermessliche.
Und dann ist er da. Der Knall.
Was tun, wenn es plötzlich kracht?
Zunächst einmal ist so eine Eskalation niemals plötzlich. Fast immer geht dem etwas voraus, gibt es eine Vorgeschichte, Dinge, die sich anstauen und nicht oder unzureichend angesprochen werden. Klar – dies hier ist die schönste Zeit des Jahres, all die Träume und Erspartes steckt komprimiert in diesen zwei oder drei Wochen des Jahres. Man möchte die schönsten Erlebnisse, die schönsten Bilder, die perfekte Harmonie als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Wer könnte es einem denn verübeln?
Was also tun?
- Prophylaxe
Was sich anhört wie auf dem Plakat beim Zahnarzt, bedeutet so viel wie: finde heraus, was dir wichtig ist, was du erwartest, wie du deinen perfekten Urlaub haben möchtest – und das möglichst noch, bevor ihr euch auf den Weg macht. Sprich darüber mit deinem Partner. Dinge, auf die du Wert legst, können für ihn völlig nebensächlich sein – und umgekehrt. - Schraube deine Erwartungen herunter
Ja, genau. Es gibt nicht den perfekten Urlaub, es gibt nicht das perfekte Hotel, es gibt keinen perfekten Schnappschuss und schon gar nicht den perfekten Partner. Es wird niemals alles genau nach Plan laufen. Im Alltag nicht – und im Urlaub erst recht nicht. - Verschaffe dir Gehör – und zwar rechtzeitig
Dafür bin ich prädestiniert. Im Wunsch nach Harmonie nehme ich Situationen hin, obwohl sie mich stören, obwohl ich das eine oder andere gerne anders gehabt hätte. Jap, nur dass ich die Situation nicht einfach nur hinnehme, nein; sie brennt schwer in meiner Kehle und liegt auf meiner Magengrube. Und mein Partner ahnt nichts davon: bis die erste, bissige Bemerkung kommt.
Der Rest entwickelt sich dann wie von selbst: Aus dem Gefühl heraus (welches der eine oder andere von Euch bestimmt auch kennt), nicht beachtet/in meinen Wünschen übergangen zu werden entwickelt sich ein brodelndes Cocktail-Gemisch: giftgrün und ätzend. Und irgendwann mache ich mich dann bemerkbar, doch da ist es meistens schon zu spät; frustriert wie ich bin wird zutiefst dramatisch ein Bild des Elends gezeichnet. Ich werde nie beachtet (natürlich nicht…), Entscheidungen werden an mir vorbei getroffen (einfach mal den Mund aufmachen…) und selbstredend macht mein Partner das alles mit Absicht… (was denn sonst?)
Und wisst ihr, was dabei das Lustige ist? Manchmal, wenn ich meinerseits blendend gelaunt durch die Fußgängerzone schlendere und ein Mädel sehe, welches ihrem Liebsten solch ein Erlebnis bereitet, denke ich mir frohen Mutes: Ach du liebe Zeit, wie kann man nur… 🙂
Was hilft, wenn es schon zu spät ist?
Nun ist es soweit, die Emotionen einer Frau sind eskaliert, der Kochtopf brodelt und läuft über. Wie kann man so eine (zutiefst in ihrem Ego) verletzte Weiblichkeit denn jetzt noch beruhigen?
- An Herren der Schöpfung: Zeige ihr, dass du sie verstehst. Versuche gar nicht erst, dich zu wehren: Du hast eh keine Chance. Hast du denn nicht zugehört? Du bist an allem Schuld…
In solchen Momenten, wenn ich am brodeln und Feuer spucken bin und gäbe es einen Spiegel in der Nähe, ich wahrscheinlich die leibhaftige Medusa in ihm erblicken würde, hat mich bisher nichts besser als ein Ja, ich verstehe, was du meinst, nächstes Mal machen wir es besser entwaffnen können. - Versuche nicht, die Sache herunter zu spielen: Sie frisst dich mit Haut und Haaren.
- Ablenkung kann Wunder bewirken. Manchmal half schon der Sprung ins kalte Wasser (und zwar buchstäblich: da waren wir gerade schnorcheln auf Bonaire und ja, es ging um den perfekten Spot… wenn man sonst keine anderen Sorgen hat, ist man der glücklichste Mensch auf der Welt 🙂 ). Die Notwendigkeit, sich auf andere Dinge konzentrieren zu müssen, hilft ungemein und der Großteil überschüssiger Emotionen baut sich damit ab.
Doch Achtung: Wenn das Streitthema etwas ist, das sich über eine lange Zeit nach und nach aufgestaut hatte, dann wirkt die Ablenkung nur vorübergehend… Da hilft eben nur das altmodische Reden. - Bring sie zum Lachen – doch Achtung: Wenn du das im falschen Moment in Angriff nimmst, verschlimmerst du die Lage – sie wird denken, dass du sie nicht ernst nimmst – verheerend. Lass deine Liebste zunächst einmal toben. Es ist wie mit einem Sturm – irgendwann verliert er an Kraft. Und dann lacht miteinander. Wenn Liebe im Spiel ist, werden sich nach ein paar Augenblicken die Mundwinkel von alleine nach oben richten…
- Und zuallerletzt: In jedem Streit geht es oftmals um ganz andere Dinge als um die, die in erster Linie genannt werden. Der Grund ist niemals das Offensichtliche, die Gründe liegen tiefer. Besonders Frauen sind sehr geneigt dazu, scheinbare „Kleinigkeiten“ anzuführen und sie für wichtig zu deklarieren…
Es geht nicht um den richtigen Schnorchelspot: Hier geht es oft um das Gefühl, nicht in die Entscheidungsfindung mit einbezogen zu werden.
Es geht nicht um das während der Fahrt verpasste, perfekte Foto: Hier geht es darum, Rücksicht auf den anderen zu nehmen.
Es geht nicht darum, ob ihr objektiv gesehen dieses Kleid steht oder nicht – es geht um: Ich möchte schön für dich sein.
Manchmal aber hilft alles nichts, und keiner dieser Tipps kann das sich anbahnende Unwetter verhindern oder mildern. Doch nichts dauert ewig; Streitereien um den perfekten Urlaub und verletzte Eitelkeiten sind in der Regel am nächsten Morgen bereits vergessen, wenn man sich wieder aufs Neue auf den Weg macht, ein Land, eine Insel, einen Berg oder eine Stadt zu entdecken und es so viel Schönes, Beeindruckendes gibt, womit man seine Augen und seinen Kopf gemeinsam beschäftigen kann…