Paris, August 2016
Gerade trinke ich Cola in einem Bistro in Créteil, einem kleinen Pariser Vorort.
Bei uns in Deutschland wird viel ausgegangen, ich weiß; doch wenn ich die Menschen um mich herum so sehe, fällt es mir wieder leicht, von der französischen Lebensfreude zu sprechen. Schon als ich die Briserie vom weiten gesehen habe, zog es mich an. Viele Tische, entspannte Menschen, die draußen sitzen… Créteil ist ein Stadtteil mit einem hohen Anteil an Schwarzbevölkerung. Aber ich mag diesen internationalen Mischmasch, dessen Teil ich als Polin ja auch bin.
Eigentlich habe ich hier mein Auto parken (da kostenlos) und mit dem Bus ins Zentrum fahren wollen, doch dann, auf dem Weg zur Bushaltestelle, hatte ich die kleine Fußgängerzone gesehen und versackte. Eine kleine Briserie unter Bäumen an der Straßenecke, die vielen besetzten Tische, Menschen, die in der Sonne sitzen… prompt saß ich nebendran.
Man sagt, die Franzosen seien sehr hochnäsig, aber das stimmt nicht. Ich habe sehr hilfsbereite Menschen kennengelernt, die mir mit allen Mitteln versuchten zu helfen. Und die nicht beleidigt waren, weil ich nicht ihre Sprache beherrschte. Die Dame im Supermarkt, die ich nach den Verbindungen fragte, schrieb mir fast den ganzen Fahrplan auf ihrem Blanco-Kassenbon auf, und der farbige Busfahrer klärte mich darüber auf, dass ich eigentlich erst zwei Straßen weiter hätte einsteigen müssen – und berechnete mir nichts für die eine Station.
Nun sitze ich hier und reflektiere. Warum sind wir immer so überrascht, wenn wir mir Wärme und Hilfsbereitschaft konfrontiert werden? Weil wir selbst nicht so sind? Nicht damit rechnen?
Ich schaue mich um. Sind die Französinnen denn wirklich so elegant wie man es allgemein so hört? Ja, das sind sie. Egan ob jung oder älter, selbst wenn es buchstäblich das Bistro um die Ecke ist – allesamt sind sie sehr schön und weiblich angezogen. Wohlgemerkt, ich sitze hier in meinem Linda-Polohemd! 🙂
Ich frage nach einem Hotel hier in der Nähe. Zu meiner Überraschung erklärt mir der Kellner (immer noch auf englisch, ich spreche weiterhin keinen Brocken französisch…), dass ich lieber im Zentrum von Paris suchen sollte; die Hotels dort seien wesentlich günstiger als hier außerhalb. Wer hätte das gedacht…
Also fahre ich mit der Metro weiter. Oh man, hätte ich bloß meine Seife und Zahnbürste aus dem Auto mitgenommen! Aber ich dachte ja, ich käme wieder ans Auto dran.
Umgeben von diesen eleganten Frauen sitze ich nun in der Metro und komme mir ein bisschen schäbig vor. Ah, eine Dusche wäre jetzt ein Traum! Meine Nase wird von Parfümwolken umweht, während die elektronische Stimme über unseren Köpfen die Endstation ansagt.
Am National
Ich habe ein Zimmer in der Nähe vom Pariser Zentrum ergattert, am „Nationale“. Die Dusche tat gut.
Seltsam; obwohl es draußen noch hell ist und ich noch ein bisschen Zeit habe, zieht es mich so gar nicht mehr nach draußen. Am liebsten würde ich mich nach dem ganzen Tag der Fahrt unter der Decke verkriechen und schlafen.
Das Zimmer liegt im sechsten Stock ohne Aufzug (!), aber dafür strahlt es etwas sehr stylisch-gemütliches aus, wie nur die Räume in Paris es können. Mit fünfzig Euro die Nacht für ein Doppelzimmer hatte ich ein echtes Schnäppchen ergattert.
Schon als ich aus der Metro stieg und die immer tiefer sinkende Sonne sah, war mir klar, dass ich über Nacht hier bleiben würde. Also sah ich mich nach einem Hotel um… und wurde hier fündig.
Der Portier unten konnte mir eben keine zehn Euro herausgeben. Ich bekäme das Geld morgen von seinem Kollegen, „no problem.“ Ob ich denn jetzt gleich eine Rechnung möchte?
Ähm… jaa, schon…?
Die zehn Euro sehe ich nie wieder.
Als ich vorhin aus der Metro stieg (das Labyrinth der Metrostation zu verlassen und an die Oberfläche zu kommen, das war auch so ein Abenteuer; ich hatte mich mehrere Male verlaufen, bevor ich irgendwann endlich wieder das Tageslicht sah und mich an irgend einer Kreuzung wiederfand), hatte ich meine erste Begegnung mit der viel besungenen Pariser Mode – ein Geschäft für Schwarze hatte gerade Ausverkauf. Wunderschöne, große, dunkelhäutige Schönheiten, vorneweg die Verkäuferin, die graziös zwischen den Kleiderständern herumstolzieren – und Klein-Kasia, die dazwischen wuselt, sich mitten rein ins Einkaufsvergnügen stürzt und passende Teilchen für sich herausstöbert.
Ich deckte mich mit einem farbig gemusterten Oberteil ein (der Reißverschluss wird bei dieser Art Kleidung vorne getragen, klärte mich die wunderschöne Verkäuferin auf) und behielt es gleich am Leib. Das ausgewaschene Apothekenhemd hatte ich gleich danach in die nächste Tonne gepfeffert – bloß weg damit. Jetzt fühlte ich mich ein bisschen schicker für die Metropole.
Die Franzosen gehen gerne essen. Alle Restaurants sind sehr voll. Ich habe mich doch aus meinem Zimmer getraut und spaziere jetzt durch das abendliche Bezirk. Ich habe beschlossen, mich doch in das Nachtleben zu stürzen. Es muss schon noch ein ganzes Stück sein bis zum Zentrum von Paris, und ich weiß nicht, ob ich das heute Abend noch schaffe. Jetzt bin ich jedenfalls in einem der schicken Restaurants hängen geblieben und gönne mir jetzt ein schönes, französisches Essen – Steak! 🙂
Ich nahm Platz an dem einzigen draußen stehenden, freien Tisch, inmitten der vielen Menschen. Alleine essen zu gehen stellt für mich kein Problem dar – scheinbar aber für den Kellner, denn er brachte mir zwei Karten…
Das Nachtleben hier fasziniert mich. Es ist ein fröhlicher Trubel um mich herum, die Menschen lachen und reden, und überall hört man Stimmengewirr und das leise Klirren von Besteck. Schade, dass meine Handykamera den Geist aufgegeben hat, ich hätte gerne ein Foto der Nachtszenerie hier gehabt…
Die Fröhlichkeit der Menschen ist mir schon in Créteil aufgefallen – hier setzt sie sich fort. Und es wird umso belebter, je mehr man sich dem Zentrum der Stadt nähert.
Langsam wird es kühl. Die Schlaferei im Auto – schön und gut, aber so ein Hotelzimmer ist doch unersetzlich. Ich freue mich doch sehr auf ein richtiges Bett. Apropos Hotel; ich war nochmal unten an der Rezeption und habe mir die zehn Euro quittieren lassen. „No problem.“ Lachte der junge Portier. „Ich hätte es schon nicht vergessen…“
Das Essen ist da. Oh mein Gott!
Das „Steak“ entpuppte sich als eine Art Hackbraten, aber… so einen guten habe ich noch nie gegessen! Unbeschreiblich… dazu gibt es zwei Soßen, eine Pfeffersoße, dunkel und pikant, und die andere schient eine Käse-Soße zu sein, aus Brie oder so etwas ähnlichem… eine wunderbare Komposition!
Den Bohnensalat hatte ich erst zum Schluss probiert, da ich irgendwie instinktiv dachte; das sind ja eh nur olle Bohnen… Nein, das sind keine ollen Bohnen… ich weiß nicht, was sie damit gemacht haben, aber sie sind fantastisch… einfache, schlichte Bohnen, und doch einfach fantastisch. Und ich werde immer satter und hoffe, dass ich es schaffe, alles aufzuessen… Ah, und diese kleine Tomate vom Beilagensalat ist nicht einfach nur roh… sie ist blanchiert! Ein Gericht, durchdacht bis ins letzte Salatblatt.
Herrlich. So, und jetzt ruft mich mein Bett…