Afrika, Marokko

Chefchaouen – Marokkos blaue Perle

Beim Essen springt mir eine Katze ins Bild. Zumindest soll das Bild es suggerieren. Aber mal ehrlich, es sind so viele Fellknäuel unterwegs, dass ich zwischen Brot und Kaffee damit beschäftigt bin, so ein Plüschding aufs Foto zu bannen. Bereits gestern hatten wir von der heimischen Hotelterrasse aus spekuliert, wie viele der süßen Dinger bei den Fahrkünsten der Locals täglich unter die Räder kommen.


Kaffee. Lebenselixier der toten Dichter. Und auch derer, die nicht ganz dicht sind, unsers also. Was das Frühstück angeht, so werden wir feststellen, dass sich die Essgewohnheiten der Leute hier eher in Richtung süß bis ganz süß orientieren. Salz hingegen wird gefühlt wenig verwendet. Doch am wichtigsten ist der Kaffee, und hier kann er Tote aufwecken.

Der heutige Tag gehört ganz uns. In aller Ruhe und mit viel Zeit können wir uns der Besichtigung dieses kleinen, wunderschönen Kleinods widmen. Dass wir am Abend eh in der Kneipe landen, ist obligatorisch. Doch bis dahin haben wir noch viel vor.

Die Schatten liegen noch tief zwischen den Häusern und die Stadt wirkt verlassen. Die junge Sonne erhebt sich erst hinter dem Rifgebirge, an dessen Hängen die Altstadt hinauf klettert. Erst langsam schälen sich die ersten Verkäufer wie auch die ersten Touris aus ihren Federn. Was gut ist, denn so können wir in jeden Winkel spähen und malerische Ecken in aller Ruhe fotografieren. Katzen stehen uns als Model zur Verfügung, und das machen sie richtig gut.

Erstes Ziel ist ist das Volkskundemuseum, welches in einem ehemaligen Fort untergebracht ist. Das Fort ist aus Stampflehm errichtet worden und wird hier als Kasbah bezeichnet. „Im mittelalterlichem Europa hätte man gar nicht versucht, sowas zu erobern, man hätte einfach den nächsten Starkregen abgewartet.“ Sinniere ich.

Das Museum hat nur vormittags geöffnet. Die Festung entdecken wir sofort, sie ist ja nicht eben klein. Mit dem richtigen Eingang gestaltet es sich schon schwieriger. Nebenher muss man auf die vielen, windigen Seelenfänger achten, die sich auf dem Outa El-Hammam Platz tummeln und uns in eines der vielen Lokale zu lotsen versuchen. Das Frühstück schwappt noch fröhlich in unseren Mägen, so sind unsere Abwehrmaßnahmen gleich überzeugender.

Es dauert etwas, bis wir den Eingang finden. Zwischendurch bin ich kurz damit beschäftigt, einem Typen sein polnisches Trinkgeld in die landesübliche Währung umzutauschen. Nennt mich Kasia Kantor.

Das Museum beansprucht nur einen kleinen Teil der Fläche. Die Festung wurde Ende des 15 Jahrhunderts von einem gewissen Rachid Ben Ali errichtet und diente dem Schutz der Stadt; Wohnhäuser und die Medina schmiegten sich um sie herum.

Wir werden nach dem Erwerb der Tickets zuallererst in das Gefängnis des umfangreichen Kasbahs geschoben. „Portugiesisch“, sagt der Museumsangestellte, und ich versuche, mir einen Reim drauf zu machen. Tatsächlich diente der Kasbah im Laufe der Zeit vielen Zwecken; Gefängnis zu sein war nur eines davon. René lässt sich sogleich ziemlich freiwillig von mir an die Wand ketten. Fürs Foto, versteht sich. Doch dafür sieht er mir zu fröhlich aus. „Guck etwas verzweifelter.“ Weise ich ihn an, doch das Ergebnis überzeugt mich noch nicht. Das Stichwort „Es gibt nie wieder Bier!“ bringt endlich den gewünschten Effekt. So sieht Verzweiflung aus, Leute.

Wir erkunden den Rest der Festung, mit ihren Türmen und ihren hohen Mauern. Die gemauerten Sichtlücken bieten einen fantastischen Ausblick auf die blaue Stadt und die umliegenden Bergketten. Den Innenhof ziert ein Garten, der von unermüdlichen Mitarbeitern gepflegt wird.

Auch andere Touris sind da, und anhand unserer niveaulosen, nicht jugendfreien Gespräche können wir recht gut erkennen, wer davon deutschsprachig ist.

Die Erkundung des Kasbah endet damit, das einmal mehr irgend eine Hansafahne aus irgend einem Fenster hängt. Was zu erwarten war.

Noch ist es kühl. Wir tauchen ein in die Blaue Stadt. Die Händler haben ihre Souvenirshops gerade erst aufgemacht, und doch sind schon einige Menschen in den engen Gassen unterwegs.

So malerisch, das Ganze. Immer wieder bleiben wir stehen, um zu fotografieren. Hier sind nicht nur die Häuser blau. So viele Blautöne bedecken die Türen, Fensterrahmen, Treppenstufen… ja, sogar den Boden, auf dem wir gehen. Alles hier hat seinen Platz und ist nur scheinbar zufällig drapiert worden. In Wahrheit jagt ein Fotospot den anderen, und das ist durchaus so gewollt. „Die lässt ein Bild von sich malen.“ Kommentiert René die Bemühungen einer chinesischen Touristin, auf einer blauen Treppe besonders vorteilhaft auszusehen.

Eine Weile laufen wir durch die belebten Gassen. Es ist schattig und das Licht sanft. Straßenkatzen posieren nur zu gerne für effektvolle Aufnahmen, sogar Selfies sind kein Problem für die Plüschraketen mit Tourierfahrung. Dann weichen wir auf die verwinkelten Seitenwege ab. „Oh, guck mal, ein Hansa-Kleber. Na, wo kommt der denn her?“ Huh?

Ganz in der Nähe soll es den Ras El Ma Wasserfall geben. Der war am Vorabend ein einschlägiger Tipp des Hoteliers. Diesen Wasserfall versuchen wir jetzt zu finden. Herausgespült haben uns die Eingeweide der Touribezirke etwas abseits, wo ein lokaler Markt aufgebaut ist. „Aufgebaut“ ist zu viel gesagt. Es liegen Waren am Straßenrand auf dem Boden aus. Kein Wunder, dass sich keiner der Besucher von auswärts hierher verirrt. Was sollen die Leute auch mit Gemüse und Zwiebeln.

Unser Ziel befindet sich ein paar Ebenen höher. Etwa zweieinhalb Kilometer Weg ist zu schaffen, allerdings geht es aufwärts und inzwischen ist es heißer geworden. René hat noch mit den Auswirkungen der Gratis-Fischbeilage von gestern zu kämpfen. Und als wir uns schließlich, unzählige Stufen später, oben einfinden, dort, wo der Wasserfall eigentlich hätte plätschern sollen, stellen wir fest, dass wir umsonst gelaufen sind. „Die Stadt hat ihre Wasserrechnung nicht bezahlt.“ Ich drehe mich nach René um und fange an zu lachen.

Der Wasserfall ist im Sommer ein kleiner Bach, und manchmal fließt er gar nicht. So haben wir jetzt, Mitte September, einfach Pech gehabt, aber es gibt schlimmeres. Hier lässt sich gut aushalten. Wasser hin oder Wasser her, es ist trotzdem ein schöner Ort, an dem wir etwas Zeit totschlagen. Einfach nur so. Um die Ziegenherde zu beobachten, die sich kurz nach uns hier einfindet. Oder die beiden Mädels, die ihre mitgebrachten Blöcke mithilfe mitgebrachter Pinsel und Farben bemalen. Der Ort entschleunigt. Und wir schmieden Pläne für den restlichen Tag.

In aller Ruhe gemütlich essen gehen. Während des Essens laut miauende Straßenkatzen abwehren. Mit Drohungen a la: „Ich ess auch Katze“ andere Deutsche verstören. Sich bis hin zu Bauchschmerzen lachend zusammenrollen, weil, man sieht die Leute ja nie wieder. Die Katzen übrigens auch nicht.

Satt und zufrieden verlassen wir das Lokal. Und haben ein Problem: wo kriegen wir jetzt Bier her? Die Bierspürhunde sind auch nicht mehr das, was sie mal waren und die Locals können uns nicht weiterhelfen.

Das sollte ich erklären. In einem Land wie Marokko ist es schwierig, an Alkohol zu kommen, wenn auch nicht unmöglich. Allerdings sind Lizenzen zum Ausschenken so teuer, dass selbst an gut besuchten, touristischen Orten nur wenige sie haben. „Unsere“ Kneipe von gestern scheint, dem Aushang nach, heute geschlossen zu sein.

Fun Fact am Rande: in der Gegend um Chefchaouen wird der Anbau von Haschisch von der Regierung geduldet, und mehr als einmal zieht uns bei unserer Wanderung durch die Stadt eine eindeutige Geruchswolke um die Nase. „Es riecht nach Kraut“, sage ich dann jedesmal. Auch werden wir angesprochen, indem jemand uns im Vorbeigehen, ohne stehen zu bleiben, das Wort „Haschisch?“ zuzischt. Das harmlose Zeugs kriegst du also gefühlt an jeder Ecke, aber wehe, wenn du an harte Drogen wie Bier rankommen möchtest.

Unser Dealer hat doch noch geöffnet. Verwunderte Blicke darauf, wie freudig die Deutschen die marokkanische Pinte begrüßen. Das Kraut können sie sich sparen. Und ihren Fisch auch.

Schließlich, es ist noch nicht allzu spät, raffen wir uns auf. Wir wollen zum Hotel, um den Sonnenuntergang zu sehen. Die Terrasse bietet Bistrotische und Stühle sowie zwei Liegen, die bei nächstem Sturm zusammenbrechen werden. Tatsächlich schaffe ich es, so eine Liege zum Einkrachen zu bringen. Die war eh schon altersschwach.

Zum Sonnenuntergang kommen wir fast schon zu spät. Der vom Hotel versprochener Gratistee wurde bereits ausgegeben und die ersten gehen wieder zurück auf ihre Zimmer. Wir warten auf das Nachglühen. Das gestaltet sich schwierig. Das Licht erlischt hier schnell.

Also ab zum Abendessen, wo köstliches auf uns wartet. Nebenbei probieren wir die hoteleigene Waffensammlung aus. Morgen wird uns Fahrer Ismail abholen. Es geht ins Atlasgebirge.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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