Der Traum ist ausgeträumt, zum größten Teil zumindest. Die Tour ist zu Ende, doch irgendwie ahne ich, dass es auf der Insel noch so viel mehr anzuschauen gäbe. Und Island hat mich tief beeindruckt. Ja, es ist ein touristisch stark frequentiertes Land. Doch ja, Island ist es wert. Die Besucher tun der Schönheit keinen Abbruch. Undeutlich entsteht der Plan, noch einmal hierher zu kommen.
So ganz ist die Tour noch nicht zu Ende, denn der Besuch der berühmten Blauen Lagune steht noch aus. Ein Bisschen Wellness, ein wenig Wärme wird mir nach den kalten, winterlichen Tagen gut tun. So stehe ich schon in den Startlöchern, als mich und ein paar andere der Shuttlebus am Morgen abholt. An den getönten Fenstern, an mit perlendem Regen benetzten Glasscheiben ziehen unendliche schwarzgrüne Lavafelder vorbei. Wie immer halte ich nach Trollen Ausschau, nach Lavaformationen, die charakteristisch aus der Landschaft ragen. Und wie immer entdecke ich welche.
Das Wasser der Blauen Lagune gleicht einer bläulichen, dampfenden Suppe. Das Thermalbad liegt etwa fünf Kilometer nördlich der Ortschaft Grindavik. Der Salzsee entstand sozusagen als Nebenprodukt, als das Thermalfeld Svartsengi zum Beheizen der Häuser in umliegenden Ortschaften erschlossen wurde. Die geförderte Salzlauge hat in der Tiefe über 240 Grad. Das durch Dampf erhitzte Grundwasser wird über Pipelines in die umliegenden Häuser geleitet und zum Beheizen genutzt. Die heiße Salzlauge, die aus rund zweitausend Metern Tiefe gefördert wurde, bildete nach und nach einen kleinen See. Im Laufe der Zeit kamen immer öfter Einheimische zum Baden hierher, vor allem da heilende Eigenschaften des Wassers festgestellt wurden. Die daraufhin entstandene Infrastruktur wie angebaute Umkleidekabinen und Duschen war nur eine unvermeidliche, logische Konsequenz. Heute ist die Blaue Lagune eine der berühmtesten Attraktionen der Insel. Mit der Zeit wurde die Anlage erweitert und ausgebaut und zwei Luxushotels entstanden in unmittelbarer Nähe.
Zum Thermalbad selbst sind die Meinungen gemischt. Zunächst mal ist es inzwischen zu einer reinen Touristenveranstaltung geworden, ihr werdet dort kaum einen Einheimischen baden sehen. Das hat zwei Gründe: erstens ist es fast immer überfüllt, zweitens kostete der Eintritt (Stand 2019) um die siebzig Euro und das wird auch von vielen Besuchern aus dem Ausland als Abzocke empfunden. Auf der ganzen Insel sind strategisch schön gelegene, größere und kleinere heiße Quellen verteilt, die zum Teil kostenlos, zum Teil für einen kleinen Obolus begehbar sind. Insofern gibt es für Locals keinen Grund, sich in die Blaue Lagune zu bemühen.
Die Färbung des Wassers ist faszinierend meeresblau, was durch Kieselalgen verursacht wird. Der fünfhundert Quadratmeter große See hat eine Wassertemperatur von 37-42 Grad an der Oberfläche. Warum ich hier bin? Erstens: es ist eine organisierte Reise und das Thermalbad ist Programmpunkt und zweitens ist mir diese Tatsache gar nicht so unrecht. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir die berühmte Sehenswürdigkeit mal anschauen und mir ein Urteil bilden. In einer Schlange wartend harre ich der Dinge, die da kommen. Dann geht alles ganz schnell: hops in die Umkleide und schon bin ich draußen, zwischen dampfendem blauen Wasser und schwarz aufragenden Felsen. Die sonst in Schwimmbecken relevante Frage nach einem Fotografieverbot und ob es sich gehört oder nicht erübrigt sich hier voll und ganz. Das Becken ist voller Touris und jeder hat sein Handy in der Hand. Also tue ich es ihnen gleich und halte den Besuch für die Ewigkeit (und für euch) fest.

Dann tauche ich ein und fühle mich unheimlich wohl. Auf dem trübblauen Wasser, das angereichert ist mit Mineralien aus dem Innern der Erde, kann man sich bei einem Salzgehalt von 2,5 Prozent einfach treiben lassen. An Stationen werden kostenlose Gesichtsmasken verteilt. Das Thermalbad führt eine eigene Kosmetikserie, die ebenso umstritten ist wie das Bad selbst. Ich schnappe mir eine Maske und klatsche sie mir ins Gesicht. Umstritten hin oder her, meine Haut lechzt nach Pflege nach der kalten Winterzeit. Oh, wie schön. Augen zu, treiben lassen. „Macht mal ein Foto von mir“, fordere ich ein Pärchen auf. Die tun wie geheißen, doch statt der Wahnsinns-Instagramable Aufnahmen kommt etwas dabei raus, das aussieht, wie diese toten Fische, die mit dem Bauch nach oben den Fluss abwärts treiben. Ja, Leute, ich bin nicht eben fotogen und posieren kann ich so gar nicht, und man muss über sich selbst lachen können. Der „tote Fisch“ nimmt sein Handy wieder an sich, bedankt sich und schwimmt weiter. Schluss mit Fotos für heute.

Vor lauter Dampf kann man kaum etwas sehen. Der bedeckte Himmel, durch den gerade so die trübe Sonne bricht, vermittelt einen dramatischen Eindruck. Ich schwimme eine Runde durch das warme Blau auf der Suche nach einem ruhigen Eckchen. Dort lehne ich mich an die Felsen und schließe die Augen. Wer sagt, dass man solche Dinge nicht ohne Gesellschaft genießen kann.
Man könnte meinen, drei Stunden hier wären kurz oder zu wenig, um sich zu erholen. Mir reichen sie völlig. Später angezogen sitze ich wieder im Bus, der mich zurück nach Reykjavik bringt. Fürs Erste sind heute keine weiteren Aktivitäten geplant, was auf ein wenig Herumstreunen durch die Stadt hinausläuft. In Reykjavik kenne ich mich bereits aus. „Laut und hektisch“ nannte einer der Guides die Hauptstadt. Verständlich, wenn ganz Island lediglich die Einwohnerzahl von Mannheim aufweist. Reykjavik ist ein liebenswertes, kleines Dorf, betrachtet man es mit den Augen eines Mitteleuropäers. Die viele Streetart und das Kreative an jeder Ecke begeistert mich bei jedem Spaziergang ebenso wie die kleinen, gemütlichen Lokale. Wohlgemerkt, die Preise fürs Essen gehen sind für die Zeit um 2019 herum jenseits von Gut und Böse, doch es schmeckt ausgezeichnet. Hier in Reykjavik habe ich das beste Fisch und Chips Gericht meines Lebens gegessen – vergesst London.
Grundsätzlich ist Island aber ein teures Unterfangen. Das Bier – für manche von uns interessant – kostet Stand vor der Pandemie im Lokal um die acht Euro. An der Tanke nur vier. Doch was interessieren mich die Preise. Wenn ich einmal im Leben hier bin, dann wird auf die Kacke gehauen. Und ein großer Biertrinker bin ich zu jedem Zeitpunkt eh nicht (das wird sich einige Jahre später ändern. Oh, und wie sich das ändern wird…).
Ach, ich finde dich auch in der Tote-Fisch-Pose fotogen, noch mehr aber mit der Feuchtigkeitscreme im Gesicht. Du solltest dich für die nächste Kampagne von Lancôme oder so bewerben 😎. Ja, 70 EUR Eintritt ist echt eine Hausnummer. Aber wenn man schon mal da ist, nimmt man es als Tourist ja mit. Bei dir war es offenbar ja eh in der organisierten Reise mit drin. Und nun bin ich gespannt, wohin du uns als Nächstes entführen wirst.
Oh, und da muss ich zerknirscht feststellen, dass ich sowas von keine Zeit hatte, was zu schreiben… ich bin irgendwie immer on Tour die Wochenenden über, aber das siehst du ja auf Insta 😉 In der nächsten Folge geht es zu den Polarlichtern, aber psst…
Hi Kasia, ich hatte erst gedacht, das weiße wäre eine Salzkruste, weil das Wasser so viel Salz enthält. Dass es eine verschönernde Zaubertinktur war, wurde mir erst später gewahr.
Ich muss aber tatsächlich zugeben, dass der Himmel, der immer so fahl und grau ist mich in kurzer Zeit depressiv machen würde. Ich bin zwar kein Freund von allzuviel Sonne (so wie aktuell bei mir auf dem Balkon über 40° C sind und ich nicht einen Meter vor die Tür mache!) – aber ab und zu ein Sonnenstrählchen hebt doch das Befinden..
Dass es dort soooo teuer ist hätte ich aber nicht gedacht. Das sind ja wirklich Preise, da bleibt einem die Spucke weg.. ;-(
Beste Grüße aus der Vorhölle Dortmund!
Peter
Eine Salzkruste, neein, es handelt sich hier um das verjüngernde Elixier des Lebens, die Wunderpampe sozusagen. Ich sah danach zwanzig Jahre jünger aus, ich schwör! (Großes Chantal-Ehrenwort).
Die Hitzewelle war schon heftig, jetzt haben wir hier im Süden Flüssigsonne 😉
Die Preise in Island haben bestimmt nochmal angezogen, ich habe was von 17 Euro für ein Bier gehört. Schon krass, und dennoch ist das Land eine Reise wert. Im Zweifel gibt es den Supermarkt und Konservendosen, um nicht zu verhungern 🙂