Vorsichtig lege ich an einer der zwei Liegen meine Sachen ab und stelle die Laterne so hin, dass ich die beiden überdachten Becken und die Fläche rundum gut überblicken kann. Doch die Handy-Taschenlampe mag ich angesichts der vielen dunklen Ecken, die sich überall verbergen, nicht aus der Hand lassen.
Herbert und Monika sind deutschsprachige Namibier und die Verwalter der Farm. Beide sind sie bodenständige Menschen, die den Gästen unaufgeregt und liebenswürdig zu allem Auskunft geben, was einem Namibia-Reisenden auf der Seele brennt. Ich verstehe mich mit beiden auf Anhieb.
Und da ich noch in der Dunkelheit der Nacht zu den heißen Quelle will, versorgt mich Monika mit einer der am Trampelpfad hängenden Laterne. „Nimm sie, dort wird es stockfinster sein.“ Draußen erklärt sie mir den sagenhaften Sternenhimmel. „Das ist das Sternbild des Skorpions. Die drei Sterne hier, und hier nochmal drei weiter oben und das, das ist der Stachel.“
Ich nehme mir meine Laterne und verabschiede mich von den am Tisch sitzenden Gästen. Dann laufe ich los. Was sagte mir Monika; am Schwimmbad links vorbei? Der Pfad führt in die Dunkelheit, kein einziges Licht erleuchtet den Weg. Meine Laterne schwankt hin und her und erhellt in unregelmäßigen Bewegungen die Umgebung, die nun ausschließlich in anthrazitgrauen Tönen zu sehen ist. Es überrascht mich, zu sehen, dass der dunkle Pfad am Schwimmbecken vorbei noch einige hundert Meter weiter durchs Gebüsch führt. Hinter dem kurzen Lichtkegel verbirgt sich unheimliche Schwärze, und so nehme ich meine Smartphone-Taschenlampen-App zur Hilfe und frage mich zum ersten Mal im Stillen, wieso ich das hier eigentlich mache. Ich versuche, die Laterne so zu halten, dass sie mich nicht blendet.
Es geht über eine Brücke, die über einen Seitenarm des Flusses führt, in dem im hohen Schilf die Zikaden ihre nächtliche Musik spielen. Und oben über mir der perfekte Sternenhimmel.
Am Ende des Pfades sind im Schein der Lampe zwei kleine, quadratische Becken unter einem Vordach zu sehen. Monika hatte Recht – es ist stockfinster hier. Vorsichtig lege ich an einer der zwei Liegen meine Sachen ab und stelle die Laterne so hin, dass ich die beiden überdachten Becken und die Fläche rundum gut überblicken kann. Doch die Handy-Taschenlampe mag ich angesichts der vielen dunklen Ecken, die sich überall verbergen, nicht aus der Hand lassen.
„Eines von beiden ist ein Kaltwasserbecken.“ Erklärte mir Monika; also stecke ich zunächst den kleine Zeh ins Wasser, als ich glaube, das richtige Becken gefunden zu haben. Ich bin komplett alleine, um mich herum nur die rätselhaften Geräusche der afrikanischen Nacht. Nachtaktive Tiere wie Leoparden ziehen hier oft umher. Mit dem Blick rundherum streifend beginne ich mich auszuziehen. Es gibt hier zwei Becken; das größere von beiden führt ein 45 Grad heißes Wasser, das von unten direkt aus der Quelle im Boden sickert. Noch misstrauisch umherblickend lasse ich mich langsam hinein gleiten. Mit dem Fuß kann ich genau die Stelle, an der die leicht spürbare Strömung am heißesten ist, genau ertasten.
Das zweite Becken ist zum Abkühlen gedacht. Die Nacht ist mir kühl genug. Doch obwohl es draußen windig ist, liegt diese Stelle hier sehr geschützt. Ich tauche ein und schaue immer wieder rundum. Die Becken befinden sich genau neben einer Trinkwasserstelle für Tiere, die, wie Herbert beim Essen sagte, von vielen nachtaktiven Tieren besucht wird. Ein Hinweis darauf ist der schmale, von Tieren ausgetretene Pfad im hohen Gras, der genau ans Wasser führt. Diese Entdeckung beruhigt mich in keinster Weise. Von meinem inneren Auge schleicht der Leopard bereits im hohen Gras um die Überdachung der beiden Becken herum. Zu einer Seite hin offen reicht das Dach rundum fast bis zur Erde hinunter. Aber eben nur fast.
Doch als ich tiefer in das sehr warme Wasser eintauche, entspanne ich allmählich und lasse mich zufrieden noch tiefer sinken. Und lausche den Geräuschen der Nacht; dem Zikadenchor, den Rufen mir unbekannter Vögel… Eulen? Oder noch etwas anderes…? Eine Fledermaus auf ihrer nächtlichen Jagd kreist flatternd immer und immer wieder unter dem Dach umher, fliegt so tief, dass ihre Flügel die Wasserfläche berühren, fliegt dann eine Weile über meinem Kopf. Das Ganze hier ist so entschleunigend, dass ich aufpassen muss, um nicht einzuschlafen, sonst sieht der Leo noch sein Essen bereits vorgaren…
Insekten, die ich zunächst für Motten halte, kreisen im Schein meiner Pseudo-Taschenlampe umher, doch als sich eines davon auf die niedrige Steinmauer setzt, bin ich fasziniert: Es sind gar keine Motten, es sind Gottesanbeterinnen – die, die ihre Männchen auffressen. Irgendwann sitzt eine von ihnen auf meiner Hand. Im Schein meiner Lampe betrachte ich das Insekt. Hey, du… sag mal, so von Schwester zu Schwester… Nichts zählt mehr, nicht einmal mehr der imaginäre Leopard in meinem Kopf – es zählt nur noch das Insekt auf meiner Hand.
Als ich nach über einer Stunde gegen halb zwölf wieder in die Lodge zurück laufe, beleuchte ich mir die ganze Zeit über meinen Weg. Der Akku meines Smartphones ist fast leer, bis er schließlich ganz den Geist aufgibt. Also bleibt nur noch der begrenzte Lichtkegel der Laterne, der beim Gehen schwankt und mich dabei immer wieder blendet. Ich schaue umher, inspiziere die hohen Gräser um mich herum. Ja, es ist schon spannend; du läufst so und denkst dir: Ist das da hinten ein Grasbüschel oder der große Kopf einer Katze im fahlen Schein der Laterne? Sprang da gerade etwas weg? Und da der Leopard ein guter Kletterer ist, schaust du natürlich auch hoch zu den Bäumen. Und dann bleibt dein Blick an diesem sagenhaften Sternenhimmel hängen.
Als ich an den Quellen auf der Liege saß, überlegte ich bereits, wie ich im Falle der Fälle mein Hemd als Waffe einsetzen könnte. Ja, so ein nächtlicher Besuch ist entspannend und aufregend zugleich.
Als ich wieder am Haupthaus ankomme, ist alles dunkel und der lange Tisch abgeräumt, keine Menschenseele ist mehr da. Ich durchquere den Raum und setze mich auf die Terrasse des Hauses. Dort bleibe ich sitzen und schaue mir diesen Sternenhimmel an.
Danach bin ich bis spät in die Nacht wach.