Von Geheimräthen, wuchtigen Felsen und Rassenforschern
Es ist Sonntag, ich habe ein neues Objektiv für meine Kamera, wir waren lange nicht mehr zusammen fotografieren, wir fahren nach Heidelberg zum Bergfriedhof. Nun im allgemeinen verbindet man mit Friedhöfen Dunkelheit, Nebel dessen Finger nach einem greifen, leise Stimmen aus dem Nirgendwo und aus der Dunkelheit ist leise und zischend zu hören “ Mein Schatzzzzzzzz“.
Pustekuchen, es ist ein heller Tag mit manchmal kühlen Wind und die Sonne ist öfter zu sehen als die Wolken auf ihrem Himmelspfad. Nun ist der Bergfriedhof nicht gerade klein und wie der Name verrät liegt er an einem Berg des Odenwaldes. Durchzogen von kleinen und großen Wegen, die hoch runter links rechts gehen, Treppen mal in einem Zustand des Beinbruches mal durchaus betretbar und Grabstätten von ganz klein bis hin zum Einfamilienhaus der Toten. Überhaupt die Toten, der Grund dieser bewaldeten schönen Stätte. Vom Professor der Kunstgeschichte, den Kaiserlich Russischen Staatsrath und Professor a.D., einem Astronomen (endlich ein richtiger Beruf), Diplomphysiker, eine Kunsthistorikerin, Zahnärzte, Nobelpreisträger in Chemie und weitere Persönlichkeiten mit vielen Titel typisch für die damalige Zeit.
Man sieht auch an der Gewichtigkeit der Steine und der Größe des Liegeplatzes wie wichtig sich Verstorbene (bei der Auswahl der Grabstätte noch quicklebendig) gehalten haben oder der Meinung wichtig zu sein (ist ja heute immer noch so). Aber es gibt auch Grabsteine die zum Nachdenken anregen, wie die der jüdischen Familie die fern der Heimat in Ankara gestorben sind. Vermutlich geflüchtet vor dem barbarischen, faschistischen System in Deutschland. Und die Steine wo die Söhne und Väter nicht hier begraben sind, sondern gefallen im 1. oder 2. Weltkrieg, weit weg von daheim, den sinnlosesten Tod des Sterbens in einem Krieg. Überhaupt der Begriff „gefallen“ eine Verniedlichung eines Todes der zum Großteil darin bestand zu verbrennen bei lebendigen Leibe wenn man in einem Panzer war und einen Volltreffer erhalten hatte, in Stücke gerissen von Artillerie oder anderen schweren Granaten, angeschossen und qualvoll sterbend in einem Schützengraben, verhungernd erfroren in der russischen Steppe vor Stalingrad, erstickt an Gasangriffen im 1. Weltkrieg. Eine ganze Generation oder 2 ist damals verheizt worden. Ich muss da an meinem Großvater denken der im Feldwebel Rang bei den Panzerjägern der Wehrmacht war, den halben Krieg im Lazarett verbracht, mit Granatsplittern im Hals und im Auge, sein Leben verbracht hat mit einem lahmen Arm und einem Glasauge. Von seinem Wissen her hätte er vielleicht gerne studiert, aber er war ein Großvater den man sich wünscht. Er hat mich oft in den Wald mitgenommen mir vieles erklärt, sein großes Wissen mit mir geteilt. Er war aufrecht und gradlinig, der perfekte Deckel auf den Topf für meine Großmutter. Meinen Großonkel; dessen Vorname ich als Zweitname habe; habe ich nie kennengelernt. Blond, blauäugig soll er gewesen sein, er war bei einer Panzerdivision der Waffen SS und ist im Kursker Bogen gefallen. Schon wieder dieser Begriff.
Das nächste Foto hat ein Alleinstellungsmerkmal, darauf steht unten ein Name und darunter „Arzt und Rassenforscher“. WTF? Den dazugehörigen Namen findet man ausführlich bei Wikipedia. Der Vater des Rassismus war Joseph Arthur Comte de Gobineau der zwischen 1853 und 1855 in seinem „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ die theoretische Grundlage dieses Denkens entwarf. Er postulierte drei menschliche Grundrassen, wobei die weiße Rasse an der Spitze stand, darunter gefolgt von der gelben und der schwarzen Rasse. Weiterhin erhob er eine Degeneration der Rassen durch Vermischung zur Gesetzmäßigkeit. Sein Werk lieferte die „wissenschaftliche“ Grundlage für die folgenden Jahrzehnte der Rassentheorien. Der britische Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain lieferte in Verbindung mit dem Sozialdarwinismus die philosophische Grundlage des Herrenmenschentums (siehe Prof. Dr. Jürgen G. Nagel „Kulturkontakte“). Gleichzeitig erfolgte in Deutschland nach 1870 ein Kulturkrieg der eine Verengung des Kulturbegriffes und dadurch eine Aufladung in Form eines überbordenden Nationalismus zeigte. Im Gegensatz zu Frankreich und England die schon länger als Nation bestanden, hatte Deutschland noch keine nationalen Kulturbegriffe aufzuweisen (auch wenn der Begriff „Kultur“ erst Ende des 18. Jahrhunderts durch Herder definiert worden ist). Es folgte eine Mythisierung eines deutschen Volkes mit einer langen Geschichte u.a. durch Wilhelm Grimm und dessen Märchen. So Schluß mit Romantik und Nationalromantik.
Lange Rede kurzer Sinn auch die Bösartigkeit der Menschen landet kurz über lang unter der Erde und wird jetzt im Frühling von einem wunderschönen Blütenmeer bedeckt.
(Anmerkung: Geheimrath oder Staatsrath wurde früher mit „th“ geschrieben, es ist kein Fehler)
12 Gedanken zu „Von Geheimräthen, wuchtigen Felsen und Rassenforschern“
Ich mag deinen Schreibstil, der ist so spritzig-frisch 🙂 Bist du sicher, dass der „Schatzzzz“ aus dem Nebel nicht ich war? 😉
Nee du kratzt ja Morgens an der Tür 😀
An welcher Tür? Meiner Erinnerung nach flüchte ich vor den Geistern, die unbeweglich an der Wand stehen 😉
Was du so träumst du so Nachts :D?
Von Geistern. Mit einem schreibe ich gerade *hüstel* 😉
Der „Rassenforscher“- Grabstein war ein wirklich aufrüttelnder Anblick. Da stellt sich die Frage, lässt man einen solchen Schriftzug da als Zeugnis der Geschichte oder „kann das weg?“ Friedhöfe sind voller Anekdoten. Bin gespannt auf Teil II…
Naja es stand ja nicht nur er auf dem Grabstein, sondern die ganze Familie 😉
Friedhöfe sind wirklich spannende Orte .. zumindest wenn mensch einfach Gräber/Inschriften studiert und nicht Liebste besucht …
Und nicht selbst unter einem Stein residiert 😉