Mannheim und ich (Abschied)
Ich bin kein geborener Mannheimer, wohne hier mit Unterbrechungen seit 1985, spreche immer noch hochdeutsch, aber fühle und verbinde mich sehr mit Monnem. Wir (meine Mutter, meine Schwester und ich) sind 1985 von Schwerin (Mecklenburg) in den Westen übergesiedelt. Nun zu dieser Zeit war Mannheim in der DDR eher unbekannt, höchstens als Fußballfan war einem der SV Waldhof und sein damaliger Trainer Schlappner ein Begriff. Heute spielt der Waldhof in der dritten Liga mit Kurs Richtung Bundesliga. Und sonst wusste ich von Mannheim nur das es ein großer Industriestandort ist und eine typische Arbeiterstadt. Da hatte ich dann im Kopf rauchende Schlote, Dreck und Männer in verschwitzten dreckigen Klamotten. Also dieses Klischee vom Beginn der Industrialisierung. Wo sollte man sonst Informationen herbekommen hinter dem östlichen Teil der Mauer. Gut genug der Theorie.
Der Tag wo wir über die Grenze hinweg sind ist mir noch sehr im Gedächtnis geblieben. Ich glaube es war ein Samstag ganz früh am Morgen sind wir abgeholt worden von unserer Wohnung auf dem Dreesch III. Ich weiß echt nicht mehr wer uns abgeholt hat. Wir sind durch das noch menschenleere Schwerin gefahren, die Sonne war gerade am Horizont erklimmen und es sah nach einem Spätsommertag Ende September aus. Die Fahrt führte uns durch Schwerin durch über den Obotritenring Richtung Lankow weiter nach Bad Kleinen. Bad Kleinen ist so wie der Name es sagt, es liegt an einem See und ist klein. Unrühmlich bekannt wurde es durch das desaströse Unternehmen von der GSG9 gegen Mitglieder der RAF. Zu dem Zeitpunkt Mitte der 80ziger war es eher bekannt das es ein Haltepunkt für die damaligen Interzonenzüge . Da standen wir nun auf dem zugigen Bahnsteig, die Gedanken gingen nach Schwerin und zum anderen war es eine diffuse, seltsame Neugierde auf die neue Heimat im „Westen“. Es heißt ja so schön „Abschied ist ein kleines bisschen wie sterben“. Das war es auch in diesem Moment gewesen. Dann fuhr der Zug ein und ab Bad Kleinen konnte man als „Normalsterblicher DDR-Bürger“ da nicht mehr einsteigen, nächster Halt war nämlich der Grenzübergang. Wir haben unseren Platz in einem Abteil gefunden, wo ein nettes älteres Ehepaar aus dem „Westen“ gesessen hat. Dann gab es einen Ruck, der Zug fuhr los und nach 16 Jahren begann ein neuer Abschnitt im Leben.
Herrnburg. Grenzübergang. Eingezäunte Gleise, Wachhunde, Wachtürme. Die Agonie der sozialistischen Grausamkeit, der Ort an dem jegliches Gefasel von der DDR-Staatsführung zur hohlen Makulatur wurde. Der Zug hielt mit kreischenden Bremsen und jähem ruckeln und es wurde schlagartig still im ganzen Zug. Es war eine diffuse und bedrohliche Stille. Von draussen hörte man in der Ferne Hunde bellen, es ertönten Befehle und man hörte die Türen vom Zug knallen. Es betraten den Zug die Grenztruppen der DDR, Zoll und das DRK. So im nachhinein waren die Grenztruppen der richtige Ort für die Psychopathen, die Soziopathen, die staatlich gedungenen Mörder der DDR. Wir saßen relativ weit vorne und daher kam die Soziopathen Truppe relativ spät zu uns. Die Tür aufgerissen mit der Tasche um den Hals, ein eisiger Blick und kalte Stimme. Pass stempeln, Ausreisebescheinigung stempeln mit einer Kraft das schier der Stempel am Fußboden angekommen ist. Macht zeigen bevor der Zug in der Freiheit verschwindet. Danach kam die Tante vom Zoll, zur Schau gestellte Arroganz eine Diskussion mit dem Ehepaar wegen den Herztabletten des Mannes (!). Zum Schluss kam noch eine vom DRK die gefragt hat ob man noch DDR Mark habe und ob man die Spenden würde. Man durfte die Alu-Chips ja nicht ausführen. Wenn man sich heutzutage fragt wer damals die Menschen im KZ drangsaliert hat, die Frage beantwortete sich alleine bei der Kontrolle. Die Wahnvorstellungen setzten sich draußen fort wo man den ganzen Zug (!) unten untersucht hat, ob sich jemand unterhalb des Zuges versteckt hat. Irgendwann war der Irrsinn vorbei und langsam setzte der Zug sich in Bewegung. Langsam fuhr er über ein freies weites Feld, nicht weil er musste, der Gleiskörper und der Unterbau war schlichtweg verschlissen. Und dann war es soweit wir fuhren an einem schlichten Holzpfahl vorbei, hintendran war ein Wachturm(?) zu sehen, das schlichte sensationelle war aber DER PFAHL STAND IM WESTEN.
5 Gedanken zu „Mannheim und ich (Abschied)“
Was für eine Geschichte. Ich habe beim Übergang mitgezittert. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, wie es damals gewesen sein musste. Hattest du Angst in dem Moment, dass doch was passiert und sie euch doch nicht rauslassen?
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte.
Nein das eigentlich nicht
DDR. Eine traurige Geschichte. Aber wer denkt, dass es nur für ausreisende DDR-Bürger schreckilch war, irrt. Ich habe meine Grenzerfahrungen auch mal niedergeschrieben. Ich habe heute noch „Angst“ vor solchen Regimes.
LG Liane
https://diereiseule.com/deutsche-grenze/
Bei der Ausreise war es ja so gewesen als fliege man zu einem fremden Planeten. Als DDR Bürger ist man ja nicht mal in den Zug nach Westen reingekommen.