Heute will ich euch ein Buch vorstellen, welches den Entdeckergeist in euch wecken und Lust auf mehr machen wird. Es handelt sich nur bedingt um ein Reisebuch bzw. Reiseliteratur, denn an viele dieser Orte, die hier beschrieben werden, können (und wollen) die meisten von uns nicht hin. Doch wozu dann das Ganze? Wir wollen faszinierende Geschichten lesen, von unberührten (oder lange nicht mehr betretenen) Orten hören und unsere Gedanken Achterbahn spielen lassen, uns vorstellen, was wäre wenn, ohne uns einer echten Gefahr und damit verbundenen Unannehmlichkeiten auszusetzen. Trifft es in etwa so zu? Auf die meisten, denke ich. Und auf dich?
Seltsame Orte, skurrile Plätze
Jetzt wird es seltsam, sehr seltsam. In seinem Buch behandelt der Autor verlorene Orte, Geisterstädte, schwimmende Inseln, Niemansländer und Enklaven oder abtrünnige Nationen.
Doch der Autor beschränkt sich in seinem Buch nicht nur auf die reine Aufzählung von skurrilen Plätzen. Er beleuchtet die menschliche Psychologie dahinter, versucht, Antworten zu finden auf Fragen, die man sich erst einmal stellen muss: warum hängen Menschen so sehr an Orten fest? Warum ist oft die Identität eines Volkes mit einem bestimmten Platz auf der Erde verbunden? Weshalb wird um manche Flecken der Erde so erbittert gekämpft, während andere widerstandslos aufgegeben und dem Verfall überlassen werden? Und schließlich – was macht einen Ort zu einem Lost Place? Was macht einen Ort zum abtrünnigen Ort? Beginnt es bei einem verfallenden Haus? Oder beginnt es bereits bei einem simplen Verkehrskreisel, der nicht mehr betreten und dadurch zum Niemandsland wird? Und warum faszinieren uns diese verlassenen, unberührten Flecken so sehr?
Unterirdische, überbaute Städte, verschwindende Inseln, Orte, die sich nicht einfach messen und erfassen lassen. Wenn ihr glaubt, die Welt sei bereits entdeckt worden, dann lasst euch eines besseren belehren. Es gibt noch so vieles, das nicht auf der touristischen Dauerkarte steht. Seine Geschichten erzählt der Autor auf lockere Art, die sie nachvollziehbar macht und es ermöglicht, sich an Ort und Stelle hinein zu versetzen. Denn wir sind im Geiste alle kleine Entdecker, und sei es von der Couch aus. Nicht wahr?
Keine Frage, nach der Lektüre dieses Buches werdet ihr die Welt mit anderen Augen sehen.
Und wer noch mehr lesen will: nach „Die seltsamsten Orte der Welt“ kam 2019 die Fortsetzung der Reihe heraus: „Die allerseltsamsten Orte der Welt“.
Über das Buch
Der Inhalt gliedert sich in acht Abschnitte, die jeweils nach Themen unterscheiden.
Abschnitt 1, „Verlorengegangene Orte“
Manches geht verloren, manches will gezielt vergessen werden. Wie Leningrad in Russland. Manchmal verschwindet ein Ort zusammen mit der Kultur der Menschen, die ihn nutzten. Und wird vergessen. Ob mit Absicht oder nicht. Und manchmal tauchen Orte auf, die auf nichts anderem als auf der Fantasie der Menschen basieren und infolgedessen von vorneherein zum Untergang verurteilt sind. Dörfer, ganze Ortschaften werden geflutet, um einen Stausee zu erschaffen. Wie die Dörfer, die im Edersee schlummern.
Abschnitt 2, „Versteckte Geographien“
Eine Stadt unter einer Stadt in Edinburgh, die Katakomben von Paris; oft stoßen wir auf verborgene Plätze, die uns sagen: hoppla, da ist mehr, als du sehen kannst. Immer mal wieder entdeckt der Mensch Neues im Bekannten, Strukturen, die sich in unseren alltäglichen Plätzen verbergen, sei es beim Bauen oder beim Abreißen von Gebäuden, wenn da plötzlich versteckte Räume auftauchen. Damit befasst sich dieser Abschnitt.
Abschnitt 3, „Niemandsländer“
Niemandsländer, Länder, die zu niemandem gehören und die keiner haben will? Das erschien mir unglaubwürdig, kennen wir es doch so, dass sich um jedes trockene Fleckchen Erde gestritten wird. Doch ist es tatsächlich der Fall? Eben nicht. Bonnett zeigt, dass es auf der Welt auch Plätze gibt, die praktisch zu keinem gehören. Oder die zwischen den Nationen hin und her geschoben werde. Was dann leidet, sind die Menschen, die dort Leben, ihre Identität und ihr Zugehörigkeitsgefühl.
Abschnitt 4, „Geisterstädte“
Geisterstädte. Der Name ist Programm und für mich gehört dieser Abschnitt zu den liebsten. Welchen dunklen Zwang üben verlassene Städte auf uns aus, wo wir ungestört umher spazieren können? Theoretisch zumindest. Wo niemand mehr ist und alles wirkt wie ausgestorben? Antworten auf Fragen zu finden, wieso, weshalb und warum, erscheinen zunächst mal zweitrangig, denn es macht mehr Spaß, all diese Fragen im Kopf schwirren zu lassen. Geisterstädte gibt es auf der ganzen Welt. Hier im Buch werden die bekannten behandelt.
Abschnitt 3, „Ausnahmeräume“
Was verbirgt sich dahinter? Lasst euch überraschen. Es gibt Orte auf dieser Welt, willkürlich von Menschen erschaffen, in denen die üblichen Regeln und Gesetze mal eben außer Kraft gesetzt werden. Wofür? Für illegale Aktivitäten? Teilweise schon. Teilweise aber auch, um neue Ideen zu verwirklichen. Orte, die sich der Kontrolle von Regierungen entziehen. Hält man nicht für möglich?
Abschnitt 6, „Enklaven und abtrünnige Nationen“
Hier beschäftigt sich der Autor mit Grenzen, mit ihrem Sinn und Unsinn. Willkürlich gezogene Linien um ein Stückchen Land. Willkürlich erschaffene Städte. Doch ab wann ist ein Staat ein Staat? Welche Gesetzte müssen dafür gelten, welche Regeln müssen eingehalten werden? Ist ein Staat ein Staat, weil er von jemandem dazu ausgerufen wurde? Ist ein Staat ein Staat, weil einzelne Nationen ihn anerkennen? Oder ist ein Staat erst dann ein Staat, wenn darin entsprechende Strukturen herrschen? Sind Staaten an statische, festgeschriebene Orte gebunden? Oder sind es die Menschen, die ihn erschaffen? Werden wir die Idee eines Staates irgendwann ganz neu überdenken?
Abschnitt 7, „Schwimmende Inseln“
Schwimmende Inseln, was verbirgt sich dahinter? Das Thema ist für manch einen vielleicht relativ neu, deshalb will ich nicht spoilern. Fakt ist, dass mit der zunehmenden Erderwärmung und dem damit verbundenen Anstieg der Weltmeere Landmasse knapp wird. Und hier muss man sich etwas einfallen lassen…
Abschnitt 8, „Vergängliche Orte“
Diese Orte können alles sein. Vielleicht sind es Siedlungen, die nur zu bestimmten Zeiten zu einem bestimmten Zweck erschaffen wurden. Vielleicht sind es Inseln, die auftauchen, um dann wieder überspült zu werden. Straßen in der Nordsee, die nur bei Ebbe befahrbar sind. Straßen auf einem zugefrorenen See, die nur im tiefsten Winter existieren. Temporäre Plätze, auf denen sich nichts, schon gar nicht der Mensch, dauerhaft halten kann.
Über den Autor
Alastair Bonnett ist Professor für Sozialgeographie an der Universität Newcastle. Die Verbindung von Menschen und Orten ist sozusagen sein Tagesgeschäft. Seine Werke beschäftigen sich entsprechend mit Themen wie Staaten, Grenzen und Karten. In englischer Sprache wurden „Atlas unserer Zeit“, „How to Argue“, „Beond the Map“, „The Age of Islands“, „What is Geography?“, „Off the Map“, „White Identities“.
Nach „Die seltsamsten Orte der Welt“ folgte die Fortsetzung des Buches: „Die allerseltsamsten Orte der Welt“ heraus. Ich bin ja mal gespannt, wie Bonnett sich da noch steigern will…?