Sonntag, 21 Jan. 2017
„Was sollen wir machen?“
„Hm, fotografieren fahren?“
Ich schaue aus dem Fenster. Das schwache, weiche Sonnenlicht fällt auf die gegenüberliegende Hauswand und taucht den Garten in einen matten Schein. Wie immer im Winter ist auch heute die Sonne nur ein Zeuge, kein Akteur. Sie ist da, doch vermag ihre Anwesenheit nichts zu bewegen.
„Da gab es diese Ausstellung… läuft die noch oder ist sie schon vorbei?“
Es ist Sonntag Vormittag. Mein Gedanke gilt der Planung des heutigen Tages. Man will ja die freie Zeit nutzen, es ist wärmer geworden gen Ende Januar und das Wetter draußen ist schön. Also nichts wie raus.
Oder?
„Es ist schon eigenartig, jetzt die Vögel draußen zwitschern zu hören. Wie im Frühling…“ Sagt Stefan.
Bald werden die wirklich warmen Tage kommen.
Als ich ins Bad gehen will, bleibe ich in der Tür stehen und drehe mich um. „Wir müssen von mir aus nicht unbedingt raus. Außer du möchtest…“
Stefan schaut von seinem I-Pad hoch. „Also, ich bin morgen wieder draußen, das reicht aus.“
„Ich auch.“
Meine Rastlosigkeit hat neue Nahrung gefunden. Fast jeden Tag bin ich nun draußen unterwegs. Immer woanders, immer wieder wechseln die Orte und Landschaften. Gestern stieg ich morgens ins Auto und fuhr zur Garage; dort schnitt ich die großen, braunen Kartons auf und richtete mein Arbeitsmaterial. Einen Teil davon packte ich in den Kofferraum des Wagens; Broschüren, Angebote, Sepa-Lastschrift Vordrucke. Taschentücher. Kundengeschenke.
Ich dachte, es würde mir schwer fallen, mich selbst zu disziplinieren; immer ganz früh morgens aufzustehen und auch die Sache mit der freien Zeiteinteilung. Doch das Gegenteil ist der Fall: In der eigenständigen Arbeit gehe ich auf. Ich bin grob an Vorgaben gebunden, kann mir die Zeit flexibel einteilen. Ich arbeite schnell und effizient, habe keine Ablenkungen. Ich kann mich voll und ganz auf eine Sache konzentrieren; auf das, was ich just in diesem Moment tue. Das ist der Vorteil des Alleine-Arbeitens. Es gibt niemanden, der mir über die Schulter schaut, wenn ich Pläne und Routen erstelle, solange ich meine Zielsetzung erreiche. Meine einzige Vorgabe ist der Erfolg. Das Wesentliche; die Früchte meiner Arbeit.
Das wie ist meine Sache. Und diese Flexibilität kommt für mich dem Begriff „Freiheit“ ziemlich nahe.
Montagmorgen. Mein erster Arbeitstag. Ich stehe früh auf, bin schweigsam wie meist um die Uhrzeit; trinke Kaffee. Lege die Businesskleidung an, werfe noch einen letzten Blick in den Spiegel. Übe im Kopf meine Sätze, gehe die imaginären Gespräche durch. Ziehe die schicken Schuhe an, die ich mir eigens für diesen Job gekauft habe. Nehme meine gepackte Aktentasche, die im Moment noch aus einer übergroßen Laptoptasche besteht, gehe zur Tür.
Im Auto stelle ich zuallererst das Navi und die Sitzheizung an (es geht nichts über einen warmen Hintern am Morgen! 🙂 ).
Zündung an.
Blinker setzen, ein Blick über die Schulter, dann fahre ich los. Die Aktentasche liegt neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich drehe das Radio lauter, während die mechanische Frauenstimme „bitte links abbiegen“ sagt.
Während die Musik läuft, entspanne ich mich – dies ist meine Zeit, die Momente nur für mich. Als ich auf die Autobahn fahre, sehe ich die verschneite Welt um mich herum.
„Guten Tag, mein Name ist Kasia Oberdorf, ich komme von…“
Ich lächle, nenne den Namen meines Unternehmens.
Ja, so wird es sein, wenn ich vor meinem ersten Kunden stehe. Genau so.