Neustadt a. d. Weinstraße, Dezember 2016
Fast hätten wir das Schild nicht gesehen, das am Rande von Neustadt winkte, als wir, der schräg stehenden Sonne entgegen, zum Weihnachtsmarkt wollen. Erst im letzten Moment, so aus dem Augenwinkel sozusagen, erspähen wir die Aufschrift:
Hunger?
Street food Trucks
10-11 Dezember 2016
bei Nußbaum Metall
An der Eselshaut 2
67435 Neustadt an der Weinstraße
Stefan und ich schauen uns vielsagend an. „Hast du es gesehen?“ „Ja.“ Da, denke ich mir, da vorne ist ein Kreisel; da wird er gleich wenden und der Streetfood Veranstaltung einen Spontanen Besuch abstatten. Doch so vielsagend waren unsere Blicke wohl nicht; zumindest nicht für meinen Liebsten – verlässlich und geradlinig fährt er weiter in Richtung Neustädter Weihnachtsmarkt.
„Ähm… Schatz? Magst du da nicht hin?“
„Was? Wohin denn?“ Stefan ist mit seinen Gedanken schon wieder weiter. Verwirrt schaut er mich von der Seite an. „Was meinst du?“ „Na ja… Street food? Das Schild? Wollen wir nicht kurz hin?“ Da wir den Kreisel gerade passiert sind („…nehmen Sie die zweite Ausfahrt“), ist jetzt also die nächstbietende Wendemöglichkeit Neustadt.
„Magst du nicht hin?“
„Ich dachte, du wolltest zum Weihnachtsmarkt?“
Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. „Lass uns kurz schauen gehen.“
Schnitt.
…uuund Action…!
Stefan und Kasia stehen vor einem quitsche-grellen, zitronengelben Imbisswagen. Fremdartige Geschmäcker und Aromen verwöhnen unsere Sinne und ein paar großer, brauner Augen schauen uns bei den ersten Bissen zu. „Schmeckt es?“
„Ja. Faszinierend exotisch.“ Sagt Stefan.
Vor uns – Spezialitäten aus Sri Lanka, die wir am Strand unter einer Palme stehend, die Füße eingegraben im weichen Sand bei langsam aufkommender Kälte mitten in der Pfalz genießen. Die beiden braunen Augen gehören einem jungen Srilankaner (sagt man das so?), mit dem melodischen Namen Milinda, den Stefan ruck-zuck in ein Gespräch verwickelt.
„Milinda?“ Hacke ich nach. Darauf fängt der Mann verlegen lächelnd an, sich zu erklären: Sri Lanka war früher eine portugiesische Kolonie und die Einheimischen hatten die Namen damals teilweise übernommen. Ja, er wisse, dass Milinda hierzulande ein Mädchenname ist (oh, wie oft ist der Arme wohl schon darauf angesprochen worden?), aber auf Sri Lanka ist es so, dass alle Namen, die mit einem „a“ enden, per se Männernamen seien.
Ob es sich lohnen würde, das Geschäft mit Street food, will Stefan wissen. Schließlich springt inzwischen beinahe jeder auf diesen Zug auf. Ja, es läuft gut, berichtet Milinda, der sich mit einer dicken, grauen Wollmütze vor der herbstlichen Kälte schützt. Ja, er und seine Familie (er habe zwei Kinder) können gut davon leben, doch das Geld sei auch nicht alles. Es müsse ihm Spaß machen und das ist, was er gerne macht. „Ich bin mein eigener Herr, ich kann hier experimentieren und immer wieder etwas Neues ausprobieren; ich habe keine Vorgaben von oben.“ Auch der Kontakt mit Menschen mache ihm Spaß und die seien froh, etwas Neues serviert zu bekommen; sein Imbiss sei gegen Nachmittag öfters schon ausverkauft.
Während ich die exotisch gewürzten Pork on rice esse, schaue ich zu den anderen Ständen hin. Die Stimmung ist locker und ausgelassen, Kunden wie Verkäufer fröhlich und entspannt. Man ist per du und isst sich abwechselnd bei den Ständen der Konkurrenz durch. Wobei man hier das Wort Konkurrenz wohl eher durch Kameraden ersetzen könnte: „Milinda! Wo hat er sich nur versteckt?“ Der untersetzte, rundbäuchiger Pfälzer kommt an unseren Stand. „Milinda, komm! Du trinkst jetzt einen Wein mit uns!“
Ein älterer Herr betritt die Bühne: in einer Wackel-Nicolaus-Mütze (das sind die Dinger, deren Zipfel hin und her wackeln… alles klar? 🙂 ) auf dem Kopf versucht er, ein kleines Mädchen zum Lachen zu bringen. Stattdessen bringt er ein großes Mädchen zum Lachen – mich…
Milinda, anfangs zurückhaltend, ist nun trotz Kälte völlig aufgetaut; er und Stefan analysieren die Gewürze im Dessert. Ein Karamell-Schoko-Irgendwas, flambiert und garniert mit Cashews – nach rund fünf Minuten hat Stefan die Zutaten raus.
„Ich stelle meine Gewürze selbst her – das schmeckt intensiver. Klar könnte ich sie auch kaufen, aber nur so weiß ich wirklich, was drin ist.“ Er erzählt uns von seinen Anfängen im Street food-Geschäft und davon, wie er den Wagen in Rottweil kaufte. Es sei ein ausgemusterter Postwagen gewesen – seine Frau sagte zu ihm: mit der Farbe fällst du auf, der ist der richtige für dich. Die eh schon postgelbe Farbe des Wagens würde durch ein neon-grelles gelb-grün betont.
Im Sommer seien sie mit der Truppe ständig unterwegs gewesen; auf Festivals und Veranstaltungen, doch gegen Ende der Saison begann er sich Sorgen zu machen, wie das denn im Winter laufen soll. Doch die Sorge war unbegründet; viele Berufstätige kämen auch – oder gerade jetzt, um sich in ihrer Mittagspause etwas schnelles zu Essen zu holen. Manche bestellen sich gar vor der Arbeit schon ihr Mittagessen vor. Unter der Woche stehe er in Neuostheim East-Side, man kam damals auf ihn zu – die Auswahl an Imbissbuden sei recht klein dort und die Leute wollten mal etwas anderes essen als immer nur Burger…
„Ich will das schaffen, was Coca Cola geschafft hat.“ Sagt Milinda. „Wenn die Menschen im Sommer Durst bekommen, denken die meisten: Ach, jetzt eine Cola, wäre das schön. Man hat fast sofort dieses Bild im Kopf. Obwohl es eigentlich total irrational ist, denn man trinkt in dem Moment etwas mit viel Zucker, was eigentlich noch mehr Durst macht. Und dennoch: kaum ein Mensch, der Durst hat, trinkt Wasser. Das, was Cola geschafft hat – genau das will ich auch schaffen: In den Köpfen der Menschen sein, wenn sie hungrig sind.“
Wir bleiben länger als gedacht vor dem Kokiya-Imbiss stehen. Wir gehen erst, als wir die aufkommende Kälte in den Knochen spüren. Und als die Flasche Cola, die ich bestellte, weil ich Durst hatte, endlich leer ist.
„Wenn ich mal früher Feierabend habe, dann komme ich in Neuostheim bei dir vorbei.“ Sagt Stefan. Milinda gibt uns die Hand: „Es war sehr nett.“
Die Sonne steht schräg und wirft ein winter-typisches, goldenes Licht, als wir von Ludwigshafen am Mannheimer Schloss vorbei wieder nach Hause fahren. Die vormittags gekauften Weinflaschen, der eigentliche Sinn unseres Besuches in der Pfalz, klappern verheißungsvoll im Kofferraum.
Der Sri Lankan Food Truck für Euch:
Kokiya
Häuserstrasse 24/68798 St. Leon-Rot
Scheibenkleister… das ist aber wirklich typisch Kasia: zu Hause merke ich, dass in meiner Kamera keine Speicherkarte steckte… und obgleich ich zunächst hoffte, dass die Samsung eine Art internen Speicher haben müsste; nein, hat sie nicht… Daher gibt es hier für Euch leider nur ein paar aufgewärmte Facebook-Bilder… sry…
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