Afrika, Namibia

Die Farben der Wüste

Helmeringhausen, 12 September 2017

Ein seltsames Land voller roter Erde, aus der die Berge sich erheben wie schemenhafte Riesen aus einem roten Ozean. Die Erde scheint zu leuchten, die Bergzüge wirken ätherisch, als hätte der Pinsel eines Künstlers sie dorthin gesetzt mit schlafwandlerischer Sicherheit in vollkommener Harmonie. 

Dazwischen – die großen, runden Erdhügel, die an zu groß geratene, rote Maulwurfhügel erinnern und uns Rätsel aufgeben.
Unendliche Weiten, verwaschene, schemenhafte Berge – Bilder zum Träumen – und eine Fahrbahn, die dich sofort wieder wachrüttelt und zum weinen bringt.

Die Lodge liegt irgendwo zwischen den gewaltigen Felsbrocken des Tirasgebirges und ist über unwegsame, endlos durchs Land ziehende Schotterpisten zu erreichen. Gewaltige Berge ziehen an uns vorbei. Für eine Anfahrt von ca. 310 km benötigen wir sechs Stunden.

Es ist noch ziemlich kühl, als wir an diesem Morgen das Canyon Roadhouse verlassen, doch im Minutentakt gewinnt die Sonne an Kraft. Ungewöhnlich häufig sind zu dieser frühen Stunde Tiere am Straßenrand zu sehen oder wie sie dabei sind, dieselbe zu überqueren, was sich freilich ändern wird, sobald die Sonne oben steht und die Temperaturen steigen.

Die Landschaft, die an uns vorüber zieht, verändert sich nur langsam. Langgezogene, weite Flächen, Gebirgszüge in der Ferne, die Welt offen und frei. Namibia geht mit Raum und Weite verschwenderisch um – von Horizont bis zum Horizont gibt es kaum etwas, das den Blick versperrt. Kaum ein Auto, das uns entgegen kommt – Anhalter sehen wir schon lange keine mehr. Kerzengerade führt uns die Straße, keine Kreuzungen, kein Verkehr, einschläfernde Eintönigkeit.

Ich muss lächeln, denn irgendwo habe ich einen Blogeintrag gelesen mit dem Titel: Namibia rockt!. Das ist so nicht korrekt. Namibia ist Einsamkeit, Ruhe, manchmal eintönig, manchmal traumhaft schön. Doch rocken – nein, hier gibt es nichts, das rocken würde.

Sobald wir anhalten, und die Türen öffnen, strömt sengende Hitze ins Auto hinein. Wobei man fairerweise sagen muss, dass es hier um diese Jahreszeit – Namibianisches Frühjahr – noch nicht ganz so heiß wird wie das, was ein Mannheimer Sommer mit 36-38 Grad so aufzubieten hat.

Die Stille, nichts um uns herum außer dem Summen von Insekten. Bei unserem Stop an der Bahnstrecken sehen wir denselben Zug wie auf der Hinfahrt an uns vorbeiziehen. Der Lockführer hupt – wir winken.

Zunächst fahren wir über die geteerte B4 – nach der „Wellblechpiste“ ist es ein Gefühl wie auf der Autobahn – doch die Freude währt nicht lange, denn schon nach 164 km geht es die Abfahrt auf die C13 runter. Die Fahrbahn ist diesmal purer Sand. Es ist nur eine Fahrt mit Tempo 50 möglich, und immer wieder spüren wir, wie das Auto zur Seite abrutscht. Stefan hat Schweißtropfen auf der Stirn.

Doch die Landschaft ist atemberaubend und entschädigt (zum Teil) für die Strapazen. In weiter Ferne, ganz nebelhaft, taucht vor uns das Tirasgebirge auf, wie Schiffe, die aus der roten Erde der Namib Wüste aufsteigen, die Hänge wie mit einem karmesinroten Tuch mit Wüstenstaub bedeckt. In dieser Kulisse hätte man Star Wars oder auch „Leben auf dem Mars“ drehen können.

Die andere Seite, sobald man den Kopf dreht, wirkt so, als wäre jemand mit einem Farbpinsel – graugrün, rotbraun, limette und ocker – über die Landschaft gezogen und hätte die Farben sanft vermischt. Wie dunstig erscheint alles um uns herum, wobei ich genau weiß, dass es keine Feuchtigkeit, sondern der Wüstenstaub ist, der sich einfach nicht legen will.

Die Farm liegt in der Nähe von Hermeringhausen, und „in der Nähe“ heißt in diesem Falle 80 Kilometer entfernt, was bei diesen Straßenverhältnissen einen Zeitunterschied von 2 Stunden ausmacht. Wie gesagt, Namibia geht sehr verschwenderisch mit Raum und Zeit um. Die mühsame Piste führt uns an Farmen vorbei; eingezäunte Weidetiere, ab und zu Pferde, Hütten, Schilder, die auf weitere Lodges und Übernachtungsmöglichkeiten hinweisen. Kilometerweit eingezäuntes Land, das meiste davon in weißer Hand. Es fällt indigenen Völkern immer schwerer, ihre Traditionen, deren Grundlage die Jagd darstellt, aufrecht zu erhalten. Auch habe ich in keiner einzigen Lodge namibianische Besitzer nicht europäischen Ursprungs gesehen.

Ab und zu verlangsamen wir das Tempo auf ein Minimum, denn es gilt, einige offene Gatter zu passieren, die auf den Schildern als „Engstelle“ vermerkt sind. Ich fühle mich dabei, als würden wir über ein fremdes Feld fahren, und in gewisser Weise tun wir das ja auch, denn die offiziellen Straßen verlaufen teilweise über privates Farmland. Hier und da liegt ein vertrocknetes, weiß gebleichtes Gerippe einer Antilope am Wegesrand.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, wechselnd zwischen Strapazen und erstaunter Bewunderung über die Schönheit und die sanften Farben der Umgebung erreichen wir die Namtib Desert Lodge.

Besser: Wir erreichen das erste Gatter, das ich nun öffne. Denn wir sind wohlgemerkt noch nicht da, denn ab dem Schild, das das Terrain der Farm verkündet, sind es bis zum Haupthaus immerhin noch zwölf Kilometer. Und der Weg wird nun einspurig. Und noch holpriger, falls es irgendwie geht.

„Was mache ich denn, wenn uns einer entgegen kommt?“ Fragt sich Stefan laut.

Rüttelnd bewegen wir uns voran, passieren weitere Gatter, die es zu öffnen und zu schließen gilt. Stefan flucht ob der Straßenverhältnisse. „Ich werde auf jeden Fall in meiner Bewertung vermerken, dass selbst ein SUV nicht ausreichend ist für das hier…“ Ich hingegen bestaune den unglaublichen, riesigen Felsbrocken zu unserer linken, denn der Felsbrocken ist ein ganzer Berg, der aus einem einzigen Stück besteht. Es ist Grundgebirge, das wir hier sehen; in ein paar Milliarden Jahren sehen die Alpen ebenfalls so aus. Unwirklich, das vor sich zu haben.

Eine Oryx Antilope steht am Wegesrand. Nein, sie steht nicht, sie läuft. „Halt an!“ Sage ich zu Stefan und überlege noch im selben Moment, ob das wirklich nötig ist, denn das Tier lässt sich durch uns nicht im Geringsten beirren. Es läuft – und zwar direkt auf uns zu. Und so komme ich zum Schluss, dass es doch nötig war, anzuhalten, denn sonst wäre uns das Tier wohl ohne Gewissensbissen ins Auto gelaufen.

Als wir zum Stehen kommen, schaut uns die Antilope noch einmal kurz an und überquert dann hoch erhobenen Hauptes und mit graziler Ruhe ungerührt die Straße. Weiter weg im Felde sehen wir weitere Tiere der Herde stehen.

„Die wissen sich ihrer Haut ganz gut zu erwehren.“ Sagt Stefan und erzählt mir, wie angeschossene, vom Jäher totgeglaubte Oryx sich noch ein letztes Mal aufbäumen und im Todeskampf den Jäger gleich mit ins Jenseits nehmen…

Das Tier wackelt davon.

Endlich erreichen wir die Farm. Ein letztes Gatter, das es zu öffnen und wieder zu verschließen gilt. Die Bäume weisen ein saftiges, ja, fast schon unnatürliches Grün angesichts dieser karger Landschaft. Mit den Bungalows zusammen ist so eine wunderschöne, kleine Oase entstanden. An runden, riesigen Felsbrocken stehen Pferde hinter einer Umzäunung. Als wir den Innenhof betreten, kommt ein junger Bullterrier auf uns zugelaufen und leckt mir sogleich freudig die Beine ab, doch zunächst hege ich noch die leise Befürchtung, dass er nur testen will, wo das Fleisch am besten schmeckt…

Es empfängt uns eine junge Frau, die uns auf deutsch anredet. Sie bringt uns in einen schattigen Salon und lässt uns bei kühlen Getränken ankommen. Während wir trinken, erkundigt sie sich nach unserer Anfahrt.

Linn ist in Namibia geboren, spricht trotzdem akzentfreies deutsch. Sie lebt mit ihrem Mann und den Schwiegereltern auf der Farm. Auf Stefans Frage hin, wie man in dieser Wüste leben kann, antwortet sie:
„Ich glaube, man muss ein bestimmter Schlag Mensch dafür sein.“ Sie sei Optimist. Klar, einkaufen und mal schnell zur Tankstelle fahren muss hier gut geplant sein und nimmt einen halben Tag in Anspruch, einfach spontan losziehen ginge natürlich nicht. Doch sie könne sich wiederum überhaupt nicht vorstellen, in einer Großstadt zu leben. „Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie ihr dort leben könnt.“

Die Farm bezieht ihr Wasser über Grundwasseradern. „Es sind stabile Tiefbohrungen im Granit.“ Sagt sie und man merkt sofort, dass ihr das Thema Wasser sehr am Herzen liegt. Ja, das stimmt, in der Kalahari gäbe es einen großen, unterirdischen Grundwassersee, doch so etwas wird meist von mehreren Farmen gleichzeitig angezapft. Und der Speicher fülle sich nicht so schnell wieder auf, wie man meint. Überhaupt neige der Mensch dazu, zu viel Wasser zu verbrauchen. Swimming Pools in der Wüste, das müsse nicht sein.

Ich will wissen, ob es zutrifft, dass es in Namibia manchmal zu Benzinknappheit kommt.

„Ja, das kommt schon mal vor, aber nicht zu dieser Jahreszeit. Während der Regenzeit kann es passieren, dass eine Straße weggespült wird und ein Tanklaster nicht mehr weiter kommt. Oder im Sommer, wenn Besucher aus Südafrika mit ihren großen Autos und Ersatzkanistern die Tankstellen leer kaufen. Es ist besser, immer so viel zu tanken wie möglich und so oft man eine Gelegenheit dazu hat, auch wenn es nur fünf Liter sind. Denn es sind vielleicht die fünf Liter, die einen das nächste Mal weiter bringen.“

Die Bungalows sind liebevoll eingerichtet und mit allem dekoriert, was es in der Wüste zu finden gibt: Holz, Steinen, Stacheln des Stachelschweins und den trockenen Früchten des Kameldornbaumes. Sucht man einen Lichtschalter, findet man stattdessen eine Schnur zum dran ziehen. Im Bad lesen wir folgendes an einer Plakette an der Wand:

„Vor unserer Farm liegt die älteste Wüste der Welt – bitte sparen Sie Wasser!“ So stehen in der Dusche Eimer, um das Kaltwasser aufzufangen, während man auf das warme Wasser wartet.

Die Farm erzeugt ihren Strom selbst über einen Stromgenerator, das Wasser wird über Solarenergie gewärmt. So bekommen wir auch die Empfehlung, lieber abends zu duschen, da das Wasser am Morgen eher lauwarm sei.

Gut zu wissen!

Start:           Canyon Roadhouse, Namibia 
Ziel:              Namtib Desert Lodge, Helmeringhausen,                          Namibia 
                      (S 26°02’13.195″E 16°15’42.456″)
Distanz:      386,83 km
Reisezeit:   5:46 Stunden

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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