Europa, Polen

Polen und die PIS

Winter in Polen. Ein im Kreise der Familie verbrachtes Weihnachtsfest. Und ein Wetter, das von der Witterung her an kalte Suppe erinnert. Was habe ich geprahlt, noch ehe meine Füße den deutschen Boden verließen…! Was habe ich gesagt: Na ja, ob es hier regnet oder nicht, ich fahre jetzt nach Warschau, da schneit es mit Sicherheit. Der weißen Weihnacht steht nichts mehr im Wege. 

Doch aus der weißen Weihnacht wurde die trübe Weihnacht und herangewehte Regentropfen benetzten stimmungsvoll unsere Gesichter. Die Temperaturen kletterten auf über acht Grad und die Braunbären in den Bergen erwachten ob der Wärme und sagten Kletterern und Wanderern „hallo“.

Warschau Powisle

Am Tag nach Weihnachten erschütterte Unheimliches das Land und eine seltsame Erscheinung bedeckte den Himmel. Der Wetterdienst versprach, die seltene blaue Färbung sofort zu untersuchen. Dies wollten all die bis dato in ihren Häusern hockenden Menschen gar nicht erst abwarten und machten sich auf, die lang ersehnten Sonnenstrahlen auf der Nase, die leeren Straßen, Plätze und Promenaden zu bevölkern.

So fuhren auch wir los nach Powisle, einen nahe der Altstadt gelegenen Warschauer Stadtteil. Die gesamte Promenade war voller Menschen und obwohl die Temperaturen an jenem Tag auf kalte sechs Grad hinunter kletterten (sechs Grad in Polen ist wirklich kalt, denn dank der sibirischen Winde, die durch Mark und Bein gehen, fühlt sich eine solche Witterung vielmehr nach Gefrierpunkt an…), spazierten die Menschen hin und her, Hand in Hand; Kinder spielten auf eigens dafür errichteten Plätzen und Möwen kreisten schreiend über dem in dunstiges Sonnenlicht getauchten, blauen Wasser der Weichsel. Die Sonne schien recht schwach, doch sie schaffte es tatsächlich, zu wärmen.

Wenn Polen in den letzten Monaten in die Medien kam, dann hauptsächlich im Zusammenhang mit der Justizreform der neuen Regierung PIS, der Flüchtlingskrise (Polen gehört neben Ungarn, Tschechien und Slowakei zu den wenigen Ländern, die sich weigern, das Gewicht der Verantwortung für die eingereisten Menschen mit anderen Ländern zu teilen) und neuerdings der immer schärferen EU-Sanktionen, die als Reaktion auf die politische Ausrichtung des Landes in Brüssel beschlossen werden sollen.

So hatte ich zunächst Bedenken, vor allem da ich nicht alleine, sondern in deutscher Begleitung in mein Heimatland gereist bin, ob der Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der EU in Allgemeinem und der Deutschen im Speziellen betreffend.

Doch ich hatte nicht den Eindruck, weder im Hotel, in dem wir uns aufhielten, noch draußen auf der Straße, von irgend jemandem während unserer deutschsprachigen Konversationen schräg angeschaut zu werden. Zunächst mal sei gesagt: Die Polen (zumindest die meisten von ihnen) sind sehr höfliche, wohlerzogene Menschen. Sie sind nicht aufbrausend und in der Öffentlichkeit zu pöbeln oder fremde Menschen zurechtzuweisen, wie es hierzulande so oft Unsitte ist, wäre dort nicht denkbar. Doch auch ungeachtet dessen stellte ich fest, dass die Menschen hier sich nicht zwangsläufig mit der Politik ihres Landes identifizieren. Vielmehr werden die Entscheidungen der Regierung zwar sehr wohl aufmerksam verfolgt und kommentiert, jedoch lässt jeder Politik Politik sein und konzentriert sich auf das wirklich Wichtige, nämlich das wahre Leben. So war von der negativen Stimmung, die ich zuerst befürchtet habe, gar nichts zu spüren.

Vielmehr herrscht hier bei vielen Polen eine vorsichtige Verwunderung über den neuen politischen Kurs der PIS Partei. Inzwischen beginnt selbst der letzte Bauer auf dem Dorf, sich irritiert die Augen zu reiben und sich zu fragen, ob das mit der PIS so einen gute Idee war. Denn ja, es wurden neue Sozialwohnungen gebaut und ja, es gibt das 500+ (um die schwache Geburtenrate im Land anzukurbeln, wurde den Familien für jedes zweite Kind ein monatlicher Betrag von 500 zl zugesprochen – vorausgesetzt die Familie ist finanziell schwach aufgestellt und liegt unter einem bestimmten Einkommenssatz). Doch die panischen Versuche der Regierung, alle sichtbaren Spuren der kommunistischen Nachkriegsvergangenheit des Landes auszutilgen stoßen nicht bei allen auf Gegenliebe. Nicht dass die Idee an sich schlecht wäre; die pragmatischen Polen sind einfach der Meinung, dass es im Land ganz andere, akute Probleme gibt, um die man sich kümmern sollte. So werden Aktionen wie die neulich durchgeführte Namensänderung vieler Straßen, deren kommunistische Namensgeber durch Nichtkommunistische ersetzt werden, bestenfalls noch belächelt, doch den Plan, den Warschauer Kulturpalast, das weithin sichtbare Wahrzeichen der Hauptstadt, als Prokommunistisches Symbol der Russen abzureißen, finden viele Polen schlichtweg nicht mehr lustig, ebenso wenig wie das Fällen der Bäume im Jahrhunderte alten Naturschutzgebiet, dem Bialowieski Urwald.

Central-Warschau bei Nacht

Ein politisches Thema, bei dem sich vermutlich die meisten Polen mit ihrer Führungsebene einig sind, betrifft die Flüchtlingspolitik. Doch rührt die Weigerung, Flüchtlinge ins Land zu lassen, tatsächlich nicht von Fremdenfeindlichkeit, sondern von Unwissenheit, gepaart mit schlichter Angst her. Für Polen ist die islamische Religion das, was durch die Medien auf sie einströmt, nämlich eine aggressive, patriarchalische Glaubensrichtung, die keinen anderen Glauben neben sich toleriert und ihre Überzeugungen notfalls mithilfe von Bauchweggürteln oder in Menschenmengen geleiteten Fahrzeugen durchzusetzen versucht. Sich in Deutschland, Frankreich und Belgien radikalisierte Islamisten sowie junge, geflüchtete Männer, die in Zusammenhang mit Belästigungen und Vergewaltigungen gebracht werden, haben der gesamten Flüchtlingsbewegung sicherlich keinen Gefallen getan.

„Ich hab nichts dagegen, zu helfen.“ Sagte ein junger Pole neulich zu mir. „Aber ich habe keine Lust, irgendwann von den Menschen gesagt zu bekommen, dass ich bitte in eine Moschee gehen und zu Allah beten soll. Vielleicht kann man den Menschen einen eigenen Bereich im Land zusprechen, wo sie unter sich bleiben können…“

Eine andere junge Polin fragte mich, ob ich denn keine Angst hätte, mich in Deutschland frei zu bewegen. Sie meinte die hohe Anschlagsgefahr an öffentlichen Plätzen, auch erwähnte sie den Vergewaltigungsfall einer jungen Polin in Italien, der hierzulande viral durch die Medien ging. Die Frau war mit ihrem Mann unterwegs und wurde von einer Gruppe halbwüchsiger Flüchtlinge überfallen.
„Ach weißt du…“ Sagte ich zu ihr. „Ich bewege mich eigentlich nicht in größeren Menschenmengen und im Alltag denkt man nicht an die Gefahr.“ Auch erklärte ich ihr die kulturellen Unterschiede zwischen einer streng islamischen Mentalität und der westlichen Welt, und wie es zu Zwischenfällen wie diesem eventuell kommen konnte. Doch ich klang nicht überzeugend, denn ich war nicht überzeugt.

Dass ich vor kurzem erst mit dem Gedanken gespielt habe, einen Selbstverteidigungskurs zu belegen, verschwieg ich ihr.

Kulturpalast in Warschau

Kasia

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